Entscheidung über Emissionshandel: Klimageschäfte aus dem Hinterzimmer
Wie geht es weiter mit dem Emissionshandel? Schon bald könnte dazu eine Entscheidung fallen, die alles andere als gut für das Klima wäre.
Berlin taz | Es ist ein häufiges Missverständnis, dass auf Klimakonferenzen der Vereinten Nationen über Klimaschutz gesprochen wird. Also über Klimaschutz im praktischen Sinne.
Wo ein Windrad auf- oder ein Kohlekraftwerk abgestellt wird – das sind keine Fragen, die Gegenstand der Verhandlungen sind. Nur eine Option wird dort heiß debattiert: wie es wieder möglich sein soll, Klimaschutz einzukaufen. Länder, in denen Klimaschutz nicht an Geld, sondern an Wille scheitert, bezahlen für Klimaschutz in Ländern, bei denen es andersherum ist. Die Treibhausgas-Einsparung darf sich dann das Land anrechnen, das gezahlt hat.
Große Teile der Klimabewegung lehnen so ein Vorgehen grundlegend ab. Sie befürchten einen unwirksamen und ungerechten Ablasshandel. Bei den UN-Klimagipfeln versuchen die Diplomat:innen seit Jahren, Regeln für den im Paris-Abkommen vereinbarten Handel zu finden, die genau das verhindern sollen.
Das Thema wird von Gipfel zu Gipfel geschoben, weil manche Regierungen die Regeln gezielt verwässern wollen. Unter anderem wollen Länder wie Brasilien, China und Australien im neuen System weiter die sehr alten und sehr billigen Zertifikate aus dem bisherigen Klimaschutzhandel nutzen, dem Clean Development Mechanism (CDM). Der läuft dieses Jahr eigentlich aus.
Ramschpapiere im Portfolio
Das Problem: Der Nutzen gilt als sehr gering. Die Berliner Denkfabrik New Climate Institute hat in einer Studie ermittelt, dass 82 Prozent der CDM-Projekte einfach weiterlaufen würden, selbst wenn kein Geld mehr durch die übrigen Zertifikate hereinkommt. Wenn Länder sich die Ramschpapiere noch anrechnen dürften, stünde zwar Klimaschutz auf dem Papier, wäre aber kaum real. Die Verhandlungen darüber gehen auf der nächsten Klimakonferenz im schottischen Glasgow weiter, die durch Corona von diesem auf den kommenden Herbst verschoben wurde.
Plot Twist: Statt auf der Klimakonferenz, wo alle Staaten mit am Tisch sitzen, könnte die bedeutsame Entscheidung quasi im Hinterzimmer fallen. Der Vorstand des CDM hat auf das Drängen des Lobbyverbands International Emissions Trading Association angekündigt: Man wolle auf einer Sitzung im Dezember vielleicht beschließen, nach 2020 einfach weitere Zertifikate auszugeben. Ob der Vorstand das überhaupt darf, ist umstritten. Außerdem wird im Dezember noch nicht klar sein, ob der Handel unter dem Paris-Abkommen anerkannt wird.
Fließt aber einmal Geld, dürfte das Fakten schaffen. Wenn Australien beispielsweise schon entsprechende Zertifikate von Brasilien gekauft hat, dann werden beide Regierungen bei der Konferenz in Glasgow noch mehr darauf beharren, dass der angebliche Klimaschutz zählt. „So gut wie alle damit befassten Experten sind sehr besorgt“, sagt der Umweltökonom Reimund Schwarze vom Umweltforschungszentrum Leipzig, der selbst einer dieser Expert:innen ist. „Dieser Vorstoß kam wirklich unerwartet.“
Leser*innenkommentare
Andreas Treufelsberger
Dass allein schon sowas wie "Emissionshandel" gibt, ist ein Verbrechen an der Umwelt...
Shaftoe
Theoretisch sind Emissionsrechte genau der richtige Weg, um CO2-Emissionen zielgenau zu verknappen. Aus den internationalen Klimaabkommen (und der zugrundeliegenden Empirie) kann man nationale Budgets einigermaßen stringent ableiten. Die entsprechende Anzahl von Emissionsrechten dürfen Staaten vergeben. Der fixe Deckel wird ab einem gewissen Punkt zu einer Preiseskalation führen. Aber genau so eine Eskalation ist auch beim Klimawandel zu befürchten. Außerdem wird die Preiseskalation sehr stark innovationsfördernd wirken - hinsichtlich technischer -und- sozialer Neuerungen.
Um den Prozess etwas abzufedern, könn(t)en die Emissionsrechte nach und nach in Chargen ausgegeben werden. Der Staat kann eine Notfallkontingent zurückhalten. Er kann die Emissionsrechte verkaufen und die Einnahmen verteilen oder gleich die Emissionrechte verteilen, um soziale Härten abzufedern. Das ist grundsätzlich alles möglich und sinnvoll. Auch der (internationale) Handel mit diesen Rechten kann sehr effizient sein, weil es abweichende Präferenzen, unterschiedliche Pfade und komparative Vorteile gibt.
In der Realität scheitert dieser Papierplan natürlich an den Interessensphären von Politik, Wirtschaft und Verbrauchern: Es wird zeredet. Sektoren werden ausgeklammert. Kompromisse werden gemacht, um Kompromisse zu machen. Rauchbomben werden gezündet (Nordhaus, damage function, harhar). Erwartungshaltungen müssen respektiert werden. Wahltermine stehen an. Und die Schäden der Zukunft werden auf unverantwortliche Art und Weise diskontiert. Unterm Strich passiert irgendwas, aber besonders effizient und schnell ist es nicht gerade. Und genauso wird es auch mit jedem anderen Konzept oder Ansatz sein.
tomás zerolo
Wenn Buchhalter versuchen, Wissenschaft zu treiben.
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Alles was sich BWL'er zum Thema Klimaschutz ausdenken ist virtuell, weil man es leicht manipulieren kann.
CO2 Steuer? Wen juckts? Kostet das Benzin ein paar Cent mehr. Die sich irgendwelche windigen Mafiosi in die Tasche stecken.
Dienstwagen nur bis zur Opel Corsa Größe anschaffen können? Da würde meine Straße 30% mehr Parkplatz bieten. Privatautos verbieten? Nochmal 20% weniger Autos. Macht 50% -real 44.
satgurupseudologos
der handel mit emissionsrechten ist grundsätzlich der falsche ansatz.besser und gerechter wären co2 steuern.und am besten für den klimaschutz und in sozialer hinsicht am gerechtesten co2 steuern die sowohl mit der menge der individuellen emissionen als auch mit dem individuellen einkommen steigen.
diese co2 steuern sollten weltweit einheitlich erhoben werden-.ein teil der einnahmen sollte verwendet werden um die lage der armen der welt stärker zu verbessern als sie durch die co2-steuern verschlechtert wird
ein für alle gleicher co2 preis ist weder gerecht noch effizient .er bringt die armen gegen den klimaschutz auf und übt auf die reichen und besserverdienenden die die hauptverursacher*innen von co2 sind keinen hinreichenden druck aus ihr verhalten zu verändern
J_CGN
@satgurupseudologos CO2-Steuern sind im Grunde Emmissionshandel für die Einzelnen.
Und sie ist sowohl träge in der Wirksamkeit als auch in der Änderung der Produktion.
Und eine weltweit einheitliche Reglung wird wohl noch länger auf sich warten lasse , als es im Zweifel Menschen auf dem Planeten gibt.
Insofern sind sie ein völlig untaugliches Instrument.
Im Grunde ist nur eine starke Regulierung schnell genug wirksam.
Dazu ein gut finanzierter Umbau, der in Europa direkt durch zinsfreie Kredite mit langer Abzahlung direkt durch dieE IB/EZB finanziert wird
satgurupseudologos
@J_CGN " CO2-Steuern sind im Grunde Emmissionshandel für die Einzelnen."
nein-denn der preis pro tonne steigt bei der von mir vorgeschlagenen co2 steuer mit der von einem individuum verursachten menge.und ausserdem auch mit dem individuellen einkommen
eine europaweit einheitliche regelung kann man relativ bald -dass heisst schon in wenigen jahren einführen.dann können andere staaten dem beispiel der eu folgen
damit ein europaweit einheitliches co2-steuersystem funktioniert muss es durch schutzzölle ergänzt werden-weil die verursachung von co2 sonst ins nichteuropäische ausland verlagert wird
eine weitere bedingung ist dass auf allen waren darüber informiert werden muss mit wieviel co2 emissionen ihre produktion verbunden ist.
sonst ist eine individuelle ökologische steuererklärung nicht möglich
Im Grunde ist nur eine starke Regulierung schnell genug wirksam."
das sehe Ich eigentlich genauso-.meinetwegen können wir auf dem gebiet der energieversorgung sogar sofort die planwirtschaft einführen aber das wäre politisch noch schwerer
durchsetzbar als ein sozial gerechtes und im hinblick auf den klimaschutz effizientes system der besteuerung von co2