Kataloniens Regionalregierung: Chef Quim Torra ist sein Amt los
Spaniens höchstes Gericht enthebt den Regionalchef seines Amtes. In der Region ist Protest geplant.
MADRID taz | Das höchste Gericht Spaniens enthebt den Chef der katalanischen Regionalregierung, der Generalitat, Quim Torra wegen Ungehorsam des Amtes. Er darf für 18 Monate kein öffentliches Amt innehaben, lautet der einstimmige Spruch der fünf Richter in Madrid.
Torra habe sich „wiederholt und hartnäckig den Anweisungen des Zentralen Wahlausschusses widersetzt, bestimmte Symbole von den öffentlichen Gebäuden, die der Generalitat gehören, abhängen zu lassen“. Er habe damit die „in diesen Wahlprozessen erforderliche Neutralität verletzt“, heißt es im Urteil. Das Gericht bestätigt damit einen Spruch des obersten Gerichtshofs von Katalonien (TSJC), gegen das Torra Widerspruch eingelegt hatte.
Es geht um ein Transparent, das den Sitz der Generalitat in Barcelona während des Wahlkampfes für die spanischen Parlamentswahlen im April 2019 zierte. Darauf wurde die Freiheit für die in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum 2017 zu hohen Haftstrafen verurteilten Politikern und Unabhängigkeitsaktivisten sowie für die im Exil lebenden Politiker, unter ihnen Torras Vorgänger, Carles Puigdemont, gefordert.
Schließlich ließ Torra das Transparent abhängen. Er brachte ein neues an, auf dem auf den Meinungsfreiheitsartikel aus der Menschenrechtserklärung verweisen wurde. Die Staatsanwaltschaft sieht darin „eine verächtliche Haltung gegenüber der Anweisung“.
Die Folge: Neuwahlen in Januar oder Februar
Jetzt wird das höchste Gericht die Entscheidung an die katalanischen Richter weiterleiten, damit diese die Strafe vollstrecken. Die Folge werden Neuwahlen Ende Januar oder Anfang Februar sein.
Torras Stellvertreter Pere Aragonès wird die Koalitionsregierung aus Torras und Puigdemont „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) und der Republikanischen Linken (ERC) bis dahin führen. Torra selbst will, sobald das Urteil zugestellt wird, den Amtssitz in einem feierlichen Akt verlassen und im katalanischen Parlament eine letzte Rede halten. Für Montagabend wurde zu ersten Protestkundgebungen aufgerufen.
„Die Regierung hat kein anderes Projekt für Katalonien als die Repression“, meldete sich Carles Puigdemont aus seinem Brüsseler Exil zu Wort. „Die Amtsenthebung wegen der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ist einem demokratischen System unangemessen“, erklärte der Präsident des katalanischen Parlaments Roger Torrent.
Während die in Madrid regierende sozialistische PSOE lediglich ihren „Respekt“ vor dem Richterspruch zum Ausdruck bringt, heften sich die rechtsliberalen Ciudadanos und die konservative Partido Popular das Urteil als Erfolg ans Revers. Beide hatten die Wahlbehörde angerufen.
Leser*innenkommentare
Priest
Nach Lesen des eigentlich recht informativen Artikels, stellen sich ein paar Fragen:
Warum erscheint der Artikel nicht, wenn ich Taz und Spanien als Suchwörter eingebe?
Ist die 2017 erklärte Unabhängigkeit Kataloniens bei der Taz schon Realität?
Welches Amt hat der "Chef" der katalanischen Regierung eigentlich verloren?
Handelt es sich etwa um das Amt des Präsidenten der "katalanischen Generalitat"?
Ist die spanische Wahlbehörde neutral und wirklich berechtigt, dem 131. Präsidenten der katalanischen Regionalregierung Vorschriften zu machen? Ist die Absetzung eines Präsidenten einer Regionalregierung und nationalen (offensichtlich unterdrückten!) Minderheit wegen eines Transparentes, auf dem auf den Meinungsfreiheitsartikel aus der Menschenrechtserklärung verwiesen wurde, mit demokratischen EU-Standards vereinbar? Handelt es sich bei Spanien wirklich um eine Demokratie innerhalb der EU?
Welchen demokratisch gewählten Präsidenten der katalanischen Generalitat ließ Franco (nach Ergreifung und Auslieferung durch die Nazis) 1940 erschießen?
Welchem demokratisch gewählten Ex-Präsidenten der kaalanischen Generalitat droht im Jahr 2020 ein ähnliches Schicksal wie dem Vizepräsidenten Oriol Junqueras (13 Jahre Haft wg. der Abhaltung eines unilateralen Referendum für Katalonien), weil die Mühlen der Europäischen Justiz so ungerecht langsam mahlen?