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Das Hamburger Duo Sufi Dub Brothers„Wir sind Außerirdische!“

Das pakistanisch-hanseatische Duo Sufi Dub Brothers über den Einfluss von Wetter auf Musik, das Meditieren an der Sitar und Konzerte im Sitzen.

Echte Steher, Ashraf Sharif Khan, Viktor Marek und die Sitar: Sufi Dub Brothers Foto: Frank Egel

taz: Viktor Marek, klassischer Raga und basslastiger Dub – keine gängige Kombination. Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit Ihrem Duokollegen, dem pakistanischen Sitar-Spieler Ashraf Sharif Khan?

Viktor Marek: Wir haben uns bei einer Theatergruppe kennengelernt, die mit geflüchteten Jugendlichen professionelles Theater macht. Es war eine Bollywood-Show geplant, und so kamen sie auf Ashraf, der …

Moment bitte! Ashraf Sharif Khan, Sie sind Sohn eines Sitarmeisters und spielen Ihr eigenes Instrument seit 40 Jahren. Ist eine Bollywoodshow nicht unter Ihrer Würde?

Ashraf Sharif Khan: Na ja, ich habe da schon meine Bedingungen gestellt. Zum Beispiel, dass ich einen Soloauftritt bekomme. Aber als ich dann Viktor traf, habe ich diese Bedingung gleich vergessen. Zwischen uns war sofort gute Chemie. Die Theatermacher wollten wohl einen Gegen­part, damit es nicht nur traditionelle Musik ist.

… und kamen so auf Hamburgs renommierten Dubproduzenten Viktor Marek.

Viktor Marek&Ashraf Sharif Khan

Die Künstler:

Viktor Marek, geboren 1975, ist aus der elektronischen Subkultur Hamburgs nicht wegzudenken. Er spielte unter anderem mit 8Doogymoto und ist mit Jacques Palminger und dessen Kings of Dub Rock aufgetreten. Außerdem gehört er zum Pudel-Kollektiv.

Ashraf Sharif Khan, geboren 1969 in Lahore, Pakistan, gehört wie sein Vater und Großvater zur Poonch-Gharana-Sitar-Tradition. In Norddeutschland unterrichtet er seit Jahrzehnten die indische Langhalslaute und gibt Konzerte mit verschiedenen Formationen.

Das Debütalbum: Als Duo nennen sich die beiden Sufi Dub Brothers und ihr Debütalbum ist bei Fun in the Church/Staatsakt/Bertus erschienen.

Das nächste Konzert: 17. Oktober 2020 „Kammerspiele“ München

Marek: Wir waren beide zunächst skeptisch. Wie verträgt sich eine Sitar mit elektronisch generierter Musik? Hmmm. Aber hey, dachte ich dann, echt guter Typ, lass mal probieren! Es hat wirklich auf Anhieb dermaßen gut funktioniert, dass wir schon vor der Premiere Ende 2010 ein Konzert auf Kampnagel gegeben haben.

Wie sind Sie ursprünglich zu Ihrem Instrument gekommen, Herr Khan?

Khan: Ich komme aus einer klassisch geprägten Community und habe schon immer meinem Vater beim Sitar-Spielen zugehört. Ich habe etliche Konzerte von ihm erlebt und später selbst klassische indopersische Musik studiert. Das war für uns Musik, alles andere war gar nicht möglich! Raga, das ist fast wie Religion. Meditative Musik, sehr seriös. Klassische Musiker haben sich zu benehmen!

Das hat sich dann später in Deutschland geändert?

Khan: Als ich in den Neunzigern ins Land kam, erst nach Kiel, dann nach Hamburg, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass ich mich auch anderer Musik öffnen will. Ich spielte zunächst in einer Jazzband. Als ich Viktor traf, war alles Elektronische für mich noch neu. Ich musste viel dazulernen; das ist ganz schön kompliziert.

Also bitte, wenn man Sie spielen sieht …

Khan: Na gut, mein Instrument ist auch kompliziert. Aber ich dachte: Hey, ein paar Knöpfe, ein paar Kabel, kann ja nicht so schwer sein. Von wegen! Viktor kreiert seine Sounds auch, als würde er ein Instrument spielen. Was er produziert, ist organische elektronische Musik.

Marek: Mein Anspruch an elektronische Instrumente ist: Es muss so dehnbar wie möglich klingen. Die Gitarre hat mich vom Soundbild irgendwann gelangweilt. In einen Sampler kann man alles reinladen und alles damit machen – das muss ein Instrument können! Einfach spielbar sein, damit man improvisieren kann. Diese Kombination hat unsere Zusammenarbeit fruchtbar gemacht. Wir können spontan auf den Moment reagieren. Die Musik hat verschiedene Wurzeln, aber sie funktioniert, ohne dass wir uns zurücknehmen müssen. Es ist nicht weichgespült dadurch, auch keine typische Fusion. Sondern es sind zwei Dinge, die selbstständig auf Augenhöhe miteinander zu tun haben.

„Fusion“ oder gar „World Music“ hätte man früher aus Bequemlichkeit dazu gesagt, inzwischen würde man Ihre Musik vielleicht als „Outernational Music“ bezeichnen.

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Marek: Den Begriff mag ich sehr. Er hat ja prominent mit dem Jazzpianisten Sun Ra zu tun, der schon vor 70 Jahren diese umfassende Idee des Outernational prägte. Weil die US-Gesellschaftsverhältnisse so zementiert nach race und class sind, ignorierte er alle Grenzen, verließ die Erde in seiner Musik Richtung Weltraum und kam als Außerirdischer wieder zurück. Außerirdische sind wir jetzt auch. Wir müssen gar nichts dazu sagen. Unsere Musik pumpt alles direkt in die Leute, in die Hirne, Beine und Mägen der Menschen.

Sie selbst nennen Ihre Musik „Sufistep“. Was ist das?

Marek: Die Bezeichnung Sufistep beinhaltet 2Step und moderne britische Bassmusik, aber auch Klassik, und ihr gleichberechtigtes Zusammenkommen. Den Begriff „World Music“ umgehen wir dagegen weiträumig.

Khan: Klassische Musik ist wie ein Gebet für mich. Wenn ich mit Viktor spiele, kann ich mich dagegen entspannen, ich habe mehr Freiheiten. My mind is flowing!

Ihr Debüt „Sufi Dub Bro­thers“ ist ein echtes Dancefloor-Album, es enthält Elemente von Acid und Techno. Wie kam das bei Ihrer Tour durch Pakistan an?

Marek: Ich war nervös, ob meine Sachen verstanden werden. In Hamburg funktioniert es, aber ich wusste nicht, wie die Leute es dort aufnehmen, wo Ashraf so stark ver­wurzelt ist. Wir waren zwei Mal für mehrere Wochen in Pakistan auf Tour. Da ist so ziemlich alles passiert. Wir waren in einer Fernsehshow eine Art Hausband. Und an der Universität von Lahore haben wir unter widrigsten Bedingungen gespielt: helles Licht, alles bestuhlt, die Anlage mies. Ashraf hat erst alleine gespielt, dann bin ich eingestiegen. Die Leute sind sofort aufgesprungen und haben auf den Stühlen getanzt, sind richtig durchgedreht. Es war eines der herrlichsten Konzerte überhaupt!

Khan: Die Professoren hatten strenge Anweisungen gegeben: Benehmt euch, bleibt sitzen! Und ich nahm das Mikro und sagte, dass sie die Studenten bitte nicht stoppen sollten. Unsere Musik kann man viel intensiver genießen, wenn man sich dazu bewegt. Ich wünschte manchmal selbst, ich könnte beim Spielen aufstehen und tanzen. Aber ich kann mich kaum bewegen, während ich spiele. Das Instrument Sitar verlangt von mir, dass ich während des Spiels throne wie ein König.

Marek: Dabei ist Ashraf ein sehr guter Tänzer!

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, das 40 Jahre alte Stück „Maschinenland“ der Hamburger Postpunk-Band Abwärts zu covern?

Marek: Die entstand während eines Konzerts. Bei dem Song finde ich die abgehackte Rhythmik der Gitarre so toll, diesen treibenden Beat. Ich dachte, es wäre super, das auf die Sitar zu übersetzen. Diese Einfachheit, die das Original von Abwärts ausmacht. Mit Details und Verschiebungen kann man total viel machen, und doch behält es die Energie.

Ashraf, Sie haben auch eine Weile in Oslo gelebt. Wie halten Sie es, als jemand, der aus dem wüstenheißen Lahore kommt, eigentlich in Regionen wie Skandinavien und Norddeutschland aus?

Khan: Das Wetter beeinflusst gar nichts! Darum werde ich jetzt philosophisch. Wenn ich friedvollen Geistes und Herzens bin, gefällt mir jedes Wetter. Minus 30 oder plus 40 Grad, das macht mir gar nichts aus. Als Teenager übte ich den Sommer hindurch und war danach immer vollkommen schweißgebadet. Aber das war egal. Wissen Sie warum? Because I was at peace.

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