Fußball-Bundesliga in Coronazeiten: Ohne Abstand und Anstand
Bundesligist Union Berlin will bald Spiele ohne Abstandsregeln veranstalten. Ein realitätsferne Idee angesichts steigender Corona-Infektionen.
D ie Corona-Zahlen klettern, Berlin ist mittlerweile bundesweit trauriger Spitzenreiter bei den Neuinfektionen, fast überall auf der Welt droht eine zweite Infektions-Welle. Nur in Köpenick scheint man das zu ignorieren: Denn der Fußballklub Union Berlin plant, trotz der grassierenden Pandemie ein Fußballspiel ohne Abstandsregeln durchzuführen.
Bei einem Testspiel am 25. Oktober sollen nach den Vorstellungen des Vereins deutlich mehr als die für die Bundesliga zugelassenen 4.600 Zuschauer:innen rein dürfen. Ermöglichen sollen das nach Ansicht von Union Berlin Schnelltests für alle Zuschauer:innen. Voll ausgelastet soll das Stadion allerdings noch nicht sein.
Angesichts der steigenden Infektionen und des heran nahenden Herbsts ist der Vorschlag absolut realitätsfern. Und es stellt sich schon die Frage, für wie sakrosankt und selbstherrlich sich ein Fußballverein hält, wenn er fern jeder gesellschaftlichen Verantwortung einen solchen Vorschlag macht – und sich dann auch noch wundert, dass der Vorschlag kritisiert wird.
Natürlich fehlen Union zweistellige Millionen-Beträge durch fehlende Zuschauer-Einnahmen ebenso wie Heimvorteil und Dauersupport bei vollen Tribünen. Aber während einer Pandemie einfach mal ein bisschen Risiko gehen und die eigenen Fans als Versuchskaninchen zu benutzen, um mit in diesem Ausmaß unerprobten Schnelltests Einnahmen zu generieren, ist einfach nur dreist und gefährlich. Das kann der Verein so oft wie er will erklären, dass es ihm um eine sichere Veranstaltung gehe.
Clubchef hält nichts von Fußball mit Maske und Abstand
Union-Ultras
„Fußball mit Abstand und Maske funktioniert nicht. Wir müssen Veranstaltungsformate finden, bei denen ein Abstand nicht notwendig ist“, sagte Clubchef Dirk Zingler der Sportschau. Deshalb werde Union weiter intensiv daran arbeiten, mit präventiven Tests die Menschen wieder ohne Abstand zu Veranstaltungen kommen zu lassen.
Union träumte schon im Juli von Spielen mit voller Stadionauslastung und wollte dafür alle Zuschauer:innen präventiv testen. Bereits dafür wurde der Verein viel kritisiert. Gelernt hat Union seither offenbar nur wenig. Man wolle das aktualisierte Konzept mit Schnelltests nun Politik und Verwaltung vorstellen. Man kann nur hoffen, dass Union damit genau so abblitzt wie Anfang September.
Weitaus vernünftiger benehmen sich übrigens solidarische Fans. Die richteten nicht nur zu Beginn der Pandemie Gabenzäune mit Spenden für Bedürftige ein, sondern bleiben auch zu Saisonbeginn solidarisch gegenüber Risikogruppen. Sie könnten zwar verstehen, dass die Vereinsführung versuche, möglichst viele Fans bei den Spielen zuzulassen, schreibt die Ultra-Gruppe Wuhlesyndikat auf ihrer Website. Aber für sie selbst komme ein Stadionbesuch erst nach der Pandemie wieder in Frage: „Wir und die weiteren aktiven Gruppen gehen erst wieder sichtbar ins Stadion, wenn die Zustände normal sind und der Stadionbesuch ohne Einschränkungen stattfindet.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein