piwik no script img

Die WahrheitIdentitäre mit Identitätskrise

Neue Parteien: Mit den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) sitzt eine weitere Verliererpartei im Deutschen Bundestag.

Wahrheit-Reporter im Einsatz mit der einzig möglichen Dienstkleidung für Gespräche mit Rechten Foto: AP

Der Reichstag wird gestürmt – schon wieder! Diesmal allerdings nicht von puberal-faschistoiden Performern, sondern von der neuen und damit achten Partei im Bundestag: den Liberal-Konservativen Reformern, kurz LKR. Was verbirgt sich hinter ihnen? Wer ist die neue unbekannte Macht in Berlin? Und wie kommt man überhaupt plötzlich in den Bundestag, wenn doch in letzter Zeit gar keine Wahl stattgefunden hat?

Die LKR bilden gewissermaßen die „Lucky Loser“-Runde des Rechtspopulismus. Beziehungsweise die „Lucke Loser“, wurden sie doch anno 2015 vom ehemaligen AfD-Bernd für andere ehemalige AfD-Bernds gegründet. Eine Selbsthilfegruppe also für Identitäre mit Identitätskrise.

Doch macht man es sich nicht zu einfach, wenn man die Partei vorab als Verliererpartei abtut? Sie kurzum cancelt? Um mehr über ihre Ziele und Träume zu erfahren, treffen wir das neue und derzeit vielleicht wichtigste Mitglied der Partei: Wie alle Rechten heißt es natürlich Uwe. Nachname: Kamann. Durch den Wechsel des ehemaligen AfD-Abgeordneten, der zwischenzeitlich fraktionslos war, haben die LKR künftig eine Stimme im Bundestag – ohne zur Bundestagswahl angetreten zu sein. Ein listiges Manöver, mit dem man die Fünfprozenthürde geschickt umkurvt.

Treffen in der Tiefgarage

Aus Angst treffen wir Uwe Kamann in einer Tiefgarage, weil wir nicht von Linken gesehen werden wollen, die uns später vorwerfen, mit Rechten geredet zu haben. Gleichzeitig benötigen wir die Videoüberwachung als Beweismaterial dafür, dass wir kein Kantholz bei uns führen und eben nicht belangt werden, falls unser Interviewpartner auf dem Heimweg stolpert – manche AfD-Macken legt man wahrscheinlich nie ganz ab.

Kamann wiederholt, was er bereits in anderen Interviews gesagt hat. Er begreift seine neue Partei als „Brandmauer gegen die AfD“. Wir entgegnen, dass man bei dermaßen geringen Ansprüchen an eine Brandmauer auch einen EU-Pullover als Hitzeschutzanzug bezeichnen könnte, und dass auf der Homepage der Liberal-Konservativen Reformer zu lesen ist: „Merkel startet die große Umverteilung“, „Merkel hat die Seele der CDU verkauft“ und „Deutschland entfesseln – Dynamik entfachen – zurück zur Weltspitze“. Ein entfesseltes Deutschland auf dem Weg zur Weltspitze? Das ist zum einen noch nie gut gegangen. Und zum anderen klingt das alles doch genau wie die AfD.

Außerdem konfrontieren wir Kamann mit weiteren Forderungen der etwas lieblos zusammengeschusterten LKR-Website, die schon durch ihre Optik verrät, dass wohl niemand davon ausgeht, der ganze Aufwand könne sich auf lange Sicht lohnen. Unter anderem steht dort: „Deutschland braucht ein konservativ-wirtschaftsliberales Politikangebot!“ Aber wird die Nachfrage nach konservativ-wirtschaftsliberaler Politik nicht schon von praktisch allen anderen Parteien gedeckt? Braucht es im Bundestag wirklich noch eine Partei? Hätte es die AfD überhaupt gebraucht? Hat das Parlament mit FDP und CSU denn nicht schon genug Neoliberalismus und Rassismus im Angebot? Kamann weiß auf all diese Fragen keine Antwort. Aus Langeweile brechen wir das Interview ab.

Übermacht ohne Eroberer

Die Liberal-Konservativen Reformer aber lassen sich davon und von der Übermacht an politischen Konkurrenten, die alle genau dasselbe wollen, nicht beirren. Sie sehen sich als gallisches Dorf im Bundestag. Blöd nur, dass es weit und breit keine römischen Eroberer gibt.

Sogar eine Jugendorganisation namens „Junge Reformer“ hatte sich damals bei der Gründung der LKR formiert: Wie in jeder Partei sind auch hier die jungen Wilden noch radikaler und den Alten gedanklich schon einen Schritt voraus – sie haben sich 2017 bereits aufgelöst.

Nichtsdestotrotz wollen die LKR im nächsten Jahr mit ihren derzeit 800 Mitgliedern offiziell zur Bundestagswahl antreten. Allein: Wer soll eine Partei wählen, die das Verlieren, Versagen und Versieben so tief in ihrer DNA trägt? Selbst die Geschichte ihrer Namensgebung zeugt davon: Bis 2016 hörten die Liberal-Konservativen Reformer noch auf den Namen ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch), den sie aber nach einem verlorenen Rechtsstreit abtreten mussten. Geklagt hatte die „Aktion Lebensrecht für Alle“. Welch Ironie für eine schon so jung sterbende Partei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das ist unfair :-)

    Die Zeiten sind so schräg, dass Ihr Satiriker*innen nur noch Tatsachen zu berichten braucht!

    Die Namensänderung der Alfa [1] hätte ich ja fast nicht geglaubt.

    Was kommt als nächstes? "Der Schenkel", als bodenständig-bäuerliche Version des Flügels?

    Himmel, hilf!

    [1] de.wikipedia.org/w...servative_Reformer