: Wir müssen reden
Den letzten Willen so zu formulieren, dass alle Anliegen klar zum Ausdruck kommen, kann kompliziert sein. Profis helfen hierbei, nicht nur mit Blick auf formale und rationale Aspekte
Je größer das finanzielle Vermögen ist, desto umfangreicher werden die hierbei zu bedenkenden Aspekte. Insbesondere wer über ein unternehmerisches Vermögen verfügt, bedarf beim Verfassen seines Testaments einer Beratung, die über die herkömmlichen Leistungen eines Anwalts hinausgeht.
Hier ist die Bank gefragt, bei der man sein Vermögen angelegt hat. Sie analysiert auf Anfrage die wirtschaftlichen Auswirkungen eines hypothetischen Erbfalls. Solch eine Analyse umfasst rechtliche Gesichtspunkte nur insoweit, als sie als Grundlage für die Vermögensplanung, relevant sind.
Weitergehende, insbesondere gestaltende Rechtsdienstleistungen, sind nicht Gegenstand der Analyse. Deren Ergebnisse können aber auf Wunsch in einen gemeinsamen Beratungsprozess mit einem rechtlichen und steuerlichen Berater einfließen.
Von Lars Klaaßen
Nach mir die Sintflut? Das würde wohl kaum jemand mit gutem Gewissen verlautbaren lassen. Wer Verantwortung für sein Leben übernimmt, hat in der Regel auch den Anspruch, die letzten Dinge über den eigenen Tod hinaus zumindest so zu regeln, dass es die Nachfahren im engeren oder die Nachwelt im weiteren Sinne nicht unnötig schwer damit haben. Sich dieser Aufgabe zu stellen kann in mancherlei Hinsicht komplex sein. Da sind zum einen rationale Aspekte zu bedenken: rechtliche, steuerliche und wirtschaftliche etwa. Dazu kommen noch soziale Fragen, die nicht ausschließlich Familie und Freunde betreffen müssen: Was möchte ich wem zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Weg hinterlassen? Ist es etwa gerechter, allen gleich viel zu geben, oder sollte jeder das bekommen, was er braucht?
Dabei kommen auch persönliche Emotionen und Werte ins Spiel. Dies alles lässt sich persönlich regeln (siehe nächste Seite). Wer hierbei Orientierung sucht, muss aber nicht allein damit fertig werden. Eine Reihe von Profis können helfen. Neben Anwälten und Notaren bieten Mediatoren ihre Dienste ebenso an wie Bankberater.
Die klassische und bis heute gefragteste Anlaufstelle für Menschen, die mit professioneller Unterstützung ihr Testament aufsetzen wollen, ist eine Anwaltskanzlei. Dort werden die künftigen Regelungen mit juristischem Know-how so formuliert, dass keine Unklarheiten entstehen und somit das Risiko späterer rechtlicher Auseinandersetzungen minimiert wird. Anwälte sind wie Notare Rechtsexperten. Beide agieren aber in unterschiedlichen Rollen. Aufgabe eines Notars ist es, das Testament zu beurkunden, formaljuristische Korrektheit zu garantieren. Er befindet sich stärker in einer Position staatlicher Neutralität. Ein Anwalt hingegen ist dezidiert Interessenvertreter seiner Klienten. Er berät zum Beispiel auch über steuerliche Konsequenzen für Erblasser und Erben.
„Neben dem juristischen Sachverstand ist eine weitere Qualität von großer Bedeutung“, betont Cathleen Schliefke. „Der Anwalt sollte neben der fachlichen Kompetenz auch Einfühlungsvermögen besitzen.“ In dieser Hinsicht sei es gut, auf sein Bauchgefühl zu achten. „Erben und Vererben ist ein emotionales Thema, das die Generationen verbindet“, berichtet die Berliner Rechtsanwältin aus eigener Erfahrung. „Es ist wichtig, dass sich der Mandant auch persönlich verstanden fühlt, um so ein intimes Anliegen wie den letzten Willen gemeinsam zu verfassen.“
Ein guter Anwalt geht sowohl mit zwischenmenschlichem als auch wirtschaftlichem Verständnis daran. „Rechtsunsicherheit und die Emotionalität der mit einem Nachlass verbundenen Themen sind für einen juristischen Laien hohe Hürden“, so Schliefke. Für das juristische Handwerk bedeutet das, möglichst schlanke rechtliche Regelungen zu erarbeiten, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Lediglich, wenn der konkrete Fall es erfordert, wird es entsprechend komplexer. Zu Beginn eines juristischen Beratungsgesprächs steht meist die Frage: Wie frei kann ich meinen letzten Willen überhaupt verfügen? Dieser Aspekt berührt etwa den Pflichtteil, der Kindern des Erblassers üblicherweise zusteht. Sind die gewünschten Regelungen definiert, geht es an die konkrete Umsetzung. Einzelne Personen oder auch gemeinnützige Organisationen können am Nachlass beteiligt werden. Wer wickelt bestimmte Dinge ab, wenn es so weit ist? Wie kann das, ganz praktisch betrachtet, funktionieren? „Gibt es einen engeren Familienkreis, wird dieser in der Regel bedacht“, sagt Schliefke. „Darüber hinaus werden Werte auch immer wieder an gemeinnützige Einrichtungen vermacht.“ All dies muss aufeinander abgestimmt werden.
Das gewünschte Ergebnis umfasst neben der wirtschaftlichen auch eine menschliche Seite. „Um alle individuellen Sachverhaltsdetails zu erfassen, muss ein Anwalt aktiv zuhören“, betont die Rechtsanwältin. Das heißt: Fragen stellen. Wurden zum Beispiel bestimmte Eventualitäten nicht bedacht, wird nachgehakt. Was soll geschehen, wenn ein potenzieller Erbe schon vor der Zeit verstirbt? Was tun, wenn die Vermögenssituation sich ändert, etwa das Haus wegen der Pflegekosten verkauft wird?
Und nicht vergessen: Falls ein Teil des Vermögens schon zu Lebzeiten an Kinder übertragen wurde, eine klare Regelung schaffen, ob eine Anrechnung auf Erbe oder Pflichtteil stattfinden soll. Andernfalls könne es in der Familie zu ungewollten Verteilungen kommen, wie Schliefke bemerkt. Sie empfiehlt: „Um potenziellen Überraschungen und Ungewissheiten vorzubeugen, sollte in einem Beratungsgespräch die Zukunft dynamisch durchgespielt werden.“
Für ein Beratungsgespräch veranschlagt die Fachanwältin rund anderthalb Stunden. Zur Vorbereitung lässt sie ihren Klienten zuvor einen Fragebogen zukommen, in dem die wichtigsten Punkte abgefragt werden: persönliche Verhältnisse, Vermögensaufstellung und gewünschte Vermögensverteilung. Nach dem Gespräch folgt die juristische Ausarbeitung des konkreten Testamentstextes. Etwa zwei bis vier Wochen nach dem Gespräch ist das Testament in der Regel unterschriftsreif.
Wie ein Notar kann auch ein Anwalt die Kosten nach Gebührentabelle und damit nach der Höhe des Nachlassvermögens berechnen. Advokaten können – anders als ein Notar – ihre Leistung aber auch nach Zeitaufwand oder pauschal abrechnen. Hierbei, so Schliefke, sei Kostentransparenz wichtig: „Der Anwalt wird im Erstberatungsgespräch die Vergütungsfrage in der Regel offen ansprechen.“
Überraschungen erlebte schon manche Familie, die erst von einem Testament des Erblassers nach dessen Tod erfuhr. Laut Schliefkes Erfahrung sind die weiteren Familienmitglieder beim Beratungsgespräch selten dabei. Die Tendenz gehe dahin, die Kinder beim Verfassen nicht zu involvieren. Je früher und offener alle von einem Testament Betroffenen miteinander reden, desto eher können potenzielle Konflikte schon von vorneherein ausgeräumt werden. Doch gerade in Familien ist das meist nicht einfach. Alte Verletzungen, über die lange nicht geredet worden ist, möchte kaum jemand ansprechen. Es können auch lediglich Missverständnisse sein, die Beziehungen aufgrund von konsequentem Schweigen seit Jahrzehnten belasten.
„Es sind oft die etwas Jüngeren, die erbende Generation, die eine konstruktive Auseinandersetzung suchen“, berichtet Signe Stein vom Leitungsteam des Fachkreises Elder Mediation im Bundesverband Mediation. Sie nimmt wahr, dass der Bedarf nach einem Austausch zwischen den Generationen zunimmt: „Viele Menschen, deren Eltern ein hohes Alter erreicht haben, wollen noch ein paar Dinge im Guten klären, bevor es zu spät ist.“ Mediation ist hierfür ein geeigneter Weg. Das Ziel lautet dabei, Lösungen anzustreben, bei denen alle Seiten profitieren, bei denen für beide Konfliktparteien mehr herauskommt als bei einem einfachen Kompromiss. Mediation bedeutet Vermittlung und basiert auf einem konstruktiven, gemeinschaftlichen Umgang miteinander. Die Konfliktparteien erarbeiten gemeinsam unter der Führung eines neutralen Dritten, dem Mediator, die Lösung. Elder Mediation geht dabei speziell auf die Themen und Bedürfnisse älterer Menschen ein.
Menschen, die älter als etwa 80 Jahre sind, ist Mediation oft nicht bekannt. „Wenn man mit ihnen in Kontakt kommt, äußern auch sie ein ähnliches Bedürfnis wie die Generation ihrer Kinder“, sagt Stein. „Sie wollen sich mit der Familie auseinandersetzen, jedoch mit einem etwas anderen Fokus.“ Im hohen Alter rückt das Thema Nachlass in den Vordergrund: Wem möchte ich was hinterlassen? Doch die Kinder wollen davon oft wenig hören – Mutter und Vater machen doch noch einen gesunden und mobilen Eindruck. „Die Enkel sind häufig offener, weil das Thema ihnen nicht ganz so nahe geht“, erläutert die Mediatorin.
Eine neutrale Person wie ein Mediator kann den Gesprächsfluss in einer Familie wieder in Bewegung bringen. „Sich umfassend auszutauschen ist die Voraussetzung für einen soliden Familienfrieden“, betont Stein, „und der wiederum ist Voraussetzung dafür, seinen Nachlass weiterzugeben, ohne dass es dabei zu Konflikten kommt.“
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