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Linken-Politiker Robert Jarowoy ist totRevolution als Tagesthema

Als „Terrorist“ in Haft, engagiert in Kommunalpolitik und Kurdistan-Solidarität: Mit Robert Jarowoy ist am Montag ein politisches Unikum gestorben.

Basisdemokrat mit starkem Führer: Jarowoy 2017 in seiner Wohnung vor einer Fahne mit dem Konterfei von PKK-Chef Öcalan Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Aus seiner Krankheit hat er keinen Hehl gemacht. Als Robert Jarowoy Ende August den Fraktionsvorsitz der Linken im Hamburger Bezirk Altona abgab, ahnte er, dass der Krebs ihn bald besiegen würde, und sprach darüber. Am Montag ist Jarowoy gestorben. Mit dem 67-Jährigen, dessen Markenzeichen sein weißer Rauschebart war, hat sich eine ihrer schillerndsten Figuren von Hamburgs politischer Bühne verabschiedet. Einer, der ganz und gar durch die 68er-Bewegung geprägt wurde, eine Zeit, so skizzierte er sie mal im taz-Interview, in der „Revolution noch unter Linken ein Tagesthema war und nicht nur Wahlergebnisse.“

Bei Nürnberg geboren, war er, seit er 16 war – und das war er 1968 – vor allem Anarchist. Träumte erst als Schüler, dann als Student der Philosophie und Geschichte von einer klassenlosen Gesellschaft ohne Fremdbestimmung und Machtstrukturen. Seine gesellschaftliche Vision hat Jarowoy später auf die Kurden projiziert: „In Kurdistan wird versucht, ein basisdemokratisches, rätekommunistisches Gesellschaftsmodell aufzubauen. Die Geschlechter, ethnische und religiöse Minderheiten sind gleichberechtigt“, hat er der taz einmal sein Utopia beschrieben, das er nie über Bord warf.

So wenig wie seine eigene Geschichte, die ihn von 1973 bis 1979 als Mitglied der linksterroristischen „Bewegung 2. Juni“ in den Knast führte. Er hat sie immer als wichtigen Teil seiner Biografie verstanden: „Niemand von uns glaubte damals, dass man diese Gesellschaft mit friedlichen Mitteln verändern könnte.“ Jarowoy soll an Raubüberfälllen beteiligt gewesen sein, über die sich der „2. Juni“ finanzierte.

Vier seiner sechs Haftjahre verbrachte Jarowoy in Einzelhaft in Frankfurt unter den Bedingungen der „sensorischen Deprivation“, des weitgehenden Entzugs aller Reize. „Dagegen half mir das Schreiben, denn so konnte ich mich in eine Fantasiewelt flüchten“, beschrieb Jarowoy seine Überlebensstrategie in der Isolationshaft. „Man ist auf eine Art nicht mehr in der Zelle“.

Jarowoys erste Bücher entstanden im Knast

Im Knast entstanden seine ersten Bücher: „Märchen aus der Spaßgerilja“, das er zusammen mit Fritz Teufel verfasste, „Die Prinzessin und der Schnellläufer!“ und „Mit Geduld und Energie“. Doppelbödige Märchen, gespickt mit leicht zu entschlüsselnden politischen Botschaften.

Nach seiner Haft zog Jarowoy nach Hamburg und lebte seit 1980 im damals links-alternativ geprägten Ottensen, als – so seine Selbstzuschreibung – Initiativenaktivist, Kommunalpolitiker und Internationalist. Er engagierte sich in zahlreichen kommunalpolitischen Initiativen. Ein neues Kapitel in seiner politischen Biographie schlug Jarowoy auf, als er 2008 Mitglied der Bezirksversammlung Altona und bald darauf Chef der dortigen Linksfraktion wurde.

Er kämpfte gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens, gegen Gentrifizierung, soziale Spaltung oder die Ausgrenzung von Migrant*innen und für eine Stärkung von kommunalen Befugnissen und Bürgerrechten. Trotzdem hörte er nie ganz auf, mit dem parlamentarischen Regelbetrieb zu fremdeln. Über die Abgeordneten der anderen Parteien sagte er der taz: „Ich sieze sie alle. Auch wenn sich alle anderen untereinander duzen. Aber selbst nach zehn Jahren geht mir das nicht über die Lippen.“

Robert Jarowoy hat seine im Knast entdeckte Liebe zum ­Schreiben auch in Freiheit kultiviert und seine Erlebnisse in der Altonaer Kommunalpolitik in einer Reihe von Krimis ironisch verarbeitet. Immer ging es dabei um Macht, Korruption und die Skrupellosigkeit des Kapitals. Beruflich setzte er auf der Ökologie- und Biofood-Bewegung auf. Von 1995 bis 2004 war er Geschäftsführer einer Genossenschaft im Naturkost-Großhandel, ab 2006 handelte er mit Bio-Käse.

Er hörte nie auf mit dem Parlament zu fremdeln

Jarowoys Blick reichte über den kommunalen Tellerrand hinaus. Er gründete die Kurdistan-Hilfe, organisierte Delegationsreisen, sammelte Spenden, damit kurdische Kinder zur Schule gehen können und die Krankenhäuser in den kurdischen Gebieten das Allernötigste an Medikamenten und Apparaturen bekamen.

„Es ging ihm nie um sich, es ging ihm immer nur um andere“, beschreibt die Chefin der Hamburger Linksfraktion Cansu Özdemir den Mann, den sie schon mit 17 Jahren in der kurdischen Community kennengelernt hat, wo Jarowoy und seine verstorbene Frau Beate in einer Art und Weise verehrt werden, die sich nur erklärt, wenn man das jahrzehntelange Engagement der beiden für die kurdische Sache erlebt hat. Als „absolut empathisch, uneitel und verlässlich“, skizziert der deutsch-türkische Journalist Adil Yiğit seinen Weggefährten. „Bis zum Schluss war er bei jeder Demo dabei, mit der Spannkraft eines jungen Mannes.“ Auch noch, als er schon vom Krebs gezeichnet war.

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2 Kommentare

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  • Robert Jarowoy und Beate Reiss haben viel für die kurdische Bewegung getan, denn anders als die meisten Linken hier haben sie sehr früh verstanden, dass dort in der kurdischen Bewegung eine wirkliche Alternative zum kapitalistischen Patriarchat entwickelt wird und dass genau das der Grund ist, warum sie in Deutschland so bekämpft wird.

  • Robert hat meiner Frau und mir bei Begegnungen auf dem Altonaer Friedhof Bernadottestraße am Grab seiner 2018 an Krebs gestorbenen Beate mit sanfter Stimme ergreifend eindringlich erzählt, wie er sie bis zuletzt zuhause alleine gepflegt, ihren Schleim aus der Lunge abgesaugt hat, was bisweilen in äußerster Eile geschehen musste, während sie ihn mit weit aufgerissenen Augen erbarmungswürdig hilfsbedürftig anschaute vor lauter Panik, dass sie erstickt. Beate wollte nicht mehr ins Krankenhaus.



    Robert wirkte so privat auf mich an diesem Ort, als ob sein Herz nach dem Tod seiner Beate einen Knacks bekommen hatte, der nicht heilen wollte. Beates Grab ist von Robert mit viel Poesie gepflegt, zu einem Gedicht der Trauer, die nicht vergehen will, ausgeschmückt worden. Ein kleiner Schemel aus unbearbeitetem Holz war diente ihm als Sitz am Grab seiner Beate.

    Diese still zugewandt herzlichen Begegnungen mit Robert an diesem Ort, behütet von den Augen der Begrabenen, die sich nicht schließen wollen, werden uns in Erinnerung bleiben bei unseren Sparziergängen in Altona Bernadottestraße.

    Adaption an Roman Trilogie südamerikanischer Revolutionen Nobelpreisträgers 1967 Miguel Ángel Asturias Rosales 1960 „Die Augen der Gegrabenen“ III: Band 1960, die Augen der Toten, die sich unter der Erde nicht schließen wollen.

    So warmherzig humorvoll fidel kämpferisch, wie Robert sein konnte, könnte ich mir diesen Grabspruch zur Mahnung an seine politischen Gegner für ihn vorstellen, wenn er diese denn zu Lebzeiten Duzen statt Siezen gehbt haben würde, was er nie tat, um sich selber wohl im Zaum zu halten.

    Hier liegen meine Gebeine, ich wünschte es wären deine“.