Verlässt Messi den FC Barcelona?: Fahrstuhl vom Fußballolymp
Lionel Messis Wechselposse wirft ein grelles Schlaglicht auf den mit Barca verwachsenen Superstar. Kann er auch einen anderen Klub dominieren?
M essi ist bekannter als der Papst und Donald Trump. Sein Trikot tragen afrikanische Jungs in Guinea und Heranwachsende in Afghanistan. Messi ist eine Weltmarke, sein Können eine Small-Talk-Möglichkeit überall auf der Welt, selbst im hintersten Winkel. Man braucht nur diese fünf Buchstaben zu erwähnen und das Gegenüber wird entweder wissend nicken oder den kleinen Argentinier in Worten preisen, die allgemein verständlich sind.
Wenn es eines Beweises bedurfte, dass das ökonomische Prinzip der Globalisierung tatsächlich den gesamten Globus erfasst hat, dann braucht man nur auf Messi und seine Breitenwirkung zu schauen. Wie passend, dass es von Messi dann auch nicht mehr weit zum Messias ist. Er verkörpert sozusagen das eschatologische Prinzip auf zwei Beinen und mit Stollenschuhen.
Logisch, dass so einer ständig unter Beobachtung steht. Wir wollen ja schließlich wissen, was der kickende Heiland so treibt. Derzeit schweigt der Mann, der 634 Tore für den FC Barcelona geschossen hat. Er schweigt zu seinen Wechselabsichten. Er schweigt zu allem. Er lässt Taten sprechen. Messi erschien nicht zu Medizinchecks und zum Training seines Klubs, mit dem er symbiotisch verwachsen schien. Der 33-Jährige möchte weg, weil er Barca nicht mehr für eine Siegmannschaft hält.
Selbst er mit seinen exzeptionellen Fähigkeiten kann die Blau-Roten aus Katalonien, so scheint es, nicht mehr auf ein höheres Niveau heben. Das 2:8 gegen die Bayern hat vieles verändert, auch Messis Blick auf seinen Klub. Wegen seiner Wundertaten haben sich viele Menschen in seinem Umfeld – Präsidenten, Trainer und Mitspieler – seinem Willen unterworfen. Man wollte den Superstar bei Laune halten, las ihm förmlich die Wünsche von den Lippen ab.
Gebrochene Übereinkunft
Messi dachte offensichtlich, er könne nach dem üblichen Reiz-Reaktions-Schema verfahren: Der Meister verkündet seine Wechselabsichten – und alle fügen sich brav. Aber so ist es nicht gekommen. Die Übereinkunft – du spielst göttergleich, wir machen vieles möglich – ist gebrochen. Messi fährt gerade vom Fußballolymp mit dem Fahrstuhl für Normalsterbliche ein paar Etagen tiefer, wo er mit menschlichem Maß gemessen wird. Plötzlich ist er unter manchen Barca-Fans sogar verhasst.
Sie nehmen ihm den Treuebruch übel, dabei haben sie ihm in der Vergangenheit weit Schlimmeres gnädig verziehen: Steuerhinterziehung und Scheinfirmen im Komplex der Panama-Papers. Die Duldsamkeit war groß, solange Leo, wie man ihn in Spanien nennt, nur seine Tore schießt. Jetzt heizt er immerhin die Spekulationen über seinen Wechsel zu Manchester City in die englische Premier League an. Der spanische Boulevard verbeißt sich in die Frage: Geht er? Geht er nicht? Darf er ablösefrei gehen? Müsste ManCity vielleicht sogar 700 Millionen Euro zahlen?
Und wenn Messis Vater und Manager Jorge ein einziges „Sí“ in ein Mikrophon haucht, dann steht die gesamte spanische Sportpresse Kopf, weil das ja bedeuten könnte, dass Messi doch in Barcelona bleibt und seinen Ruf als Nesthocker bestätigt, der besagt, Messi sei ein One-Club-Player, also jemand, der nicht wie seine Superstar-Kollegen Zlatan Ibrahimovic oder Ronaldo überall in einem Großklub funktioniert, sondern nur in gewachsenen Strukturen.
Wagt er also den Sprung heraus aus der Komfortzone? Wird Messi, der in Castelldefels nahe Barcelona eine fürstliche Residenz bewohnt, den unbequemen Gang nach England antreten? Oder bleibt er, die weltumspannende Supermarke, ein irgendwie kleinbürgerlicher Somewhere, ein „Dagebliebener“? Es wäre sozusagen ein Witz der Globalisierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!