Armin Laschet im NRW-Lokalwahlkampf: Corona, immer wieder
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zieht im Wahlkampf durch sein Bundesland. Eigentlich ein Heimspiel – wäre da nicht der Corona-Streit.
Angesagt ist ein Spaziergang von Laschet und Boss über den Wochenmarkt im Stadtteil Rheydt. Bei den meist grauhaarigen Passanten, die an diesem Mittwoch entspannt über den Platz vor der Hauptkirche schlendern, müssten die beiden Rheinländer punkten: Boss setzt auf Sicherheit, Sauberkeit und solide Finanzen, will aber auch Wirtschaft und Kultur nicht vernachlässigen.
Zwar wird Laschet nicht sofort erkannt. „Mit Maske ist das immer schwierig“, klagt OB-Kandidat Boss. Doch dann will die Kurzwarenhändlerin Wulla Kangas, die neben Knöpfen und Zwirn auch Coronaschutzausrüstung im Angebot hat, dem Ministerpräsidenten ein durchsichtiges Gesichtsvisier schenken. „Geht aufs Haus“, sagt die Geschäftsfrau. „So sieht man wenigstens Ihr Gesicht“, wirbt Kangas. Das Angebot überzeugt, am Ende zahlt Boss doch für Laschet mit.
Sofort danach aber ist Schluss mit Heimspiel und Harmonie. Warum nicht alle Corona-Einschränkungen aufgehoben werden, will ein Mann wissen, der sich als „Unternehmer“ vorstellt. „Wollen Sie uns alle ruinieren?“, fragt er. Seinen Namen will er nicht nennen: Mit „Mainstream-Medien“ rede er nicht.
In der Defensive
Wenige Meter weiter kann Laschet zwar seine zentrale Botschaft setzen: „Am Sonntag CDU wählen!“ Gerade nach den Bildern der Reichskriegsflaggen vor dem Bundestagsgebäude in Berlin müssten „alle Demokraten zusammen“ bleiben. „Die Rechtsradikalen nutzen die Ängste vor Corona aus“, warnt der CDU-Bundesvize.
Doch unter die Menschentraube, die sich um Laschet gebildet hat, haben sich neue Corona-Empörte gemischt. Nur eine Handvoll sind sie, aber laut: Laschets Teampartner im Kampf um den CDU-Bundesvorsitz, Gesundheitsminister Jens Spahn, habe doch eingeräumt, dass der „Lockdown nicht nötig“ gewesen sei, giftet einer. Der Coronaleugner trägt eine verspiegelte Sonnenbrille, weigert sich aber „aus gesundheitlichen Gründen“, eine Maske zu tragen – und filmt per Handy mit: „Wo sind die Entschädigungen für Unternehmer?“, fragt er aggressiv.
Laschet ist damit wieder da, wo er seit Ausbruch der Pandemie allzu oft war: in der Defensive.
Denn unsicher wirkte der Politprofi im Kampf um CDU-Bundesvorsitz und Kanzlerkandidatur nicht nur gegenüber seinen Konkurrenten, dem bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder und Ex-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz. Seine Forderung nach Rückkehr zu einer „verantwortungsvollen Normalität“ kam bei seiner zur Risikogruppe zählenden älteren Hauptwählerschaft nicht gut an.
Bloß nicht hektisch und nervös wirken
Und durch sein erstes Statement zum massiven Corona-Ausbruch im Tönnies-Schlachthof im westfälischen Gütersloh schien der Ex-Integrationsminister plötzlich fast ausländerfeindlich: Schuld seien „Rumänen und Bulgaren“, also ausgebeutete Leiharbeiter, erklärte er.
In Mönchengladbach versucht Laschet, nicht schon wieder hektisch und nervös zu wirken. „Ich wurde doch immer dafür kritisiert, vorsichtig in die Normalität zurückzuwollen“, hält er den Coronaleugnern entgegen. Laschet erinnert an „die Bilder aus Bergamo und New York“, an die „drohende Überlastung des Gesundheitssystems“. Vom irrlichternden Kurs seiner Regierung bei der Maskenpflicht in Schulen spricht der Ministerpräsident nicht. Stattdessen versucht er einmal mehr, sich selbst als Mann von „Maß und Mitte“ darzustellen: „Wir sind vorsichtig, das ist der richtige Weg.“
In Mönchengladbach kommt das gut an. Die Coronaleugner bleiben isoliert, Applaus bekommt der Ministerpräsident. „Ich werde ihn wählen“, sagen nicht wenige – und meinen nicht nur Laschets Parteifreund Boss. Vom Berliner Gerede, der NRW-Regierungschef werde sich nach einer verlorenen Kommunalwahl von seinen Ambitionen auf CDU-Bundesvorsitz und Kanzlerkandidatur verabschieden und stattdessen Spahn vorschicken, will Laschet deshalb nichts wissen: „Nichts“ hätten Kommunalwahl und Parteivorsitz miteinander zu tun, erklärt er knapp. Dann muss er zum Flieger nach Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein