Virtueller CSU-Besuch bei der CDU Zehlendorf: Ja, is denn heut schon Wahlkampf?
Ex-Justizsenator Thomas Heilmann hat ein Buch veröffentlicht und wirbt so groß dafür, dass es schon wie Wahlkampf für die Bundestagswahl 2021 wirkt.
“Ja, is denn heut scho' Weihnachten?“ Wer schon ein paar Jahre älter ist und diesen mal weit verbreiteten Werbespruch von Fußballikone Franz Beckenbauer kennt, der kann bei einem neuen Plakat in Zehlendorf-Mitte Ähnliches denken. Da wirbt nämlich der örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete und Ex-Justizsenator Thomas Heilmann so großformatig für ein von ihm mitverfasstes Buch, dass sich die Frage aufdrängt: „Ja, is denn heut schon Wahlkampf?“ Denn neben dem Buch ist da ziemlich groß vor allem Heilmann selbst drauf.
Mehr als ein Jahr vor der Entscheidung über Bundestag und Abgeordnetenhaus hat Heilmann mit einer CDU-Fraktionskollegin 103 Reformvorschläge für Deutschland veröffentlicht. „Neustaat“ haben die beiden das genannt – was wie „Neustart“ klingt und wohl auch dasselbe bedeuten soll. Insgesamt 29 Bundestagsabgeordnete schlagen dabei konkrete Veränderungen vor. Eine gar nicht so neue Idee ist als Vorschlag 98 dabei: „Moderne Videoaufklärung“ – Heilmann fordert sie seit Jahren mit Neuköllns Ex-Bürgermeister Buschkowsky.
Für diesen Abend hat sich Heilmann einen noch Prominenteren zur Diskussion eingeladen: Markus Söder, der CSU-Chef und Ministerpräsident, soll virtuell zu Gast bei der CDU Zehlendorf sein. Doch Söder muss kurzfristig absagen, stattdessen meldet sich sein Generalsekretär Markus Blume via Zoom aus der CSU-Zentrale in München. Über 100 Mitglieder sollen zugeschaltet sein, 36 Fragen arbeitet Blume ab.
Wobei der erst mal Heilmanns Buch als herausragend lobt – „In deinem Kreisverband ist das wahrscheinlich schon die Bibel, da muss das jeder unter dem Kopfkissen haben.“ Blume weiß auch sonst, was er den Berliner CDUlern schuldig ist: Es gebe Bundesländer, sagte er, „die sind bekanntlich schlecht regiert – ihr wisst, was ich meine.“
Nicht Wahlwerbung, nur Buchwerbung
Konkret auf „Neustaat“ kommt das Gespräch erst am Ende, nach vielen Fragen zu Corona und Bayerns Umgang damit. Was schade ist, denn Heilmanns Anspruch ist ein großer: „Politik und Staat müssen sich ändern“, ist der Untertitel, und die vielen Abgeordneten als Co-Autoren versprechen, damit bei sich selbst anzufangen. Das wirft dann die Frage auf, warum sie das via Buch kundtun und nicht schon längst Gesetzentwürfe daraus gemacht haben: Denn alle gehören der CDU-/CSU-Fraktion an, dem größeren Regierungspartner.
Eine Mail an Heilmanns Büro klärt übrigens noch, dass es sich bei den Zehlendorfer Plakaten nicht um vorgezogene Wahlpappen handeln soll, sondern um 100 Werbeflächen, die der verantwortliche Buchverlag für zwei Wochen habe aufhängen lassen. Eröffnet ist der Wahlkampf dennoch – selbst wenn Blume auch an diesem Abend nicht sagen mag, dass Söder Kanzler werden will.
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