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Corona in Ex-JugoslawienWie in Kriegszeiten

Kroatien und Slowenien erschweren Serben und Bosniern den Grenzübertritt. Der Grund dafür sind rasant steigende Infektionszahlen.

Urlaub am Strand von Baska auf der Insel Krk ist für Bosnier und Serben wegen Corona kaum möglich Foto: Eibner/imago

Split taz | Bei vielen Menschen in Bosnien werden dieser Tage wieder Erinnerungen an den Krieg vor fast dreißig Jahren wach, als Flüchtlinge aus Bosnien und Serbien an den Grenzen zu Kroatien und Slowenien festsaßen.

Heute herrscht zwar kein Krieg, jetzt behindert jedoch Corona Grenzübertritte aus den südlichen Staaten des Westbalkans in die EU-Länder Kroatien und Slowenien. Seit Mitte Juli müssen bosnische Muslime, bosnische Serben, Serben aus Serbien und Montenegriner bei ihrer Einreise nach Kroatien einige Hürden nehmen: Es reicht nicht, Angaben wie Name, Wohnort und Passnummer vorab per Internet an die kroatische Grenzpolizei zu schicken.

Auch die Buchung einer Ferienwohnung oder die Einladung eines Geschäftspartners müssen nachgewiesen werden. Zudem wird ein negativer Coronatest verlangt. EU-Bürger können frei einreisen.

Solche Diskriminierungen werden in Sarajevo mit Witzen gekontert: Da katholische Bosnier als bosnische Kroaten, die einen kroatischen Pass haben, anders als Muslime und Orthodoxe ohne Restriktionen nach Kroatien einreisen dürften, sei die „Resistenz des katholischen Glaubens gegen das Virus“ erwiesen.

Boom an der Adria

Doch der Spaß ist ernst. So ist das Interesse in beiden Volksgruppen, nach Kroatien einzureisen, merklich gesunken. Dagegen erlebt der Adriastreifen in Bosnien und Herzegowina, die Stadt Neum, einen Boom. Und die fehlenden Touristen aus der EU und den arabischen Ländern, die im Sommer normalerweise im Sommer nach Sarajevo kommen, werden durch Serben aus Serbien ersetzt. Zwischen beiden Ländern gibt es freien Reiseverkehr.

Das lässt kroatische Restriktionen legitim erscheinen. Nachdem in allen Westbalkanstaaten sowie Kroatien im März, April und Mai die Infektionsrate wegen der drastischen Maßnahmen der Behörden sehr niedrig gehalten werden konnte, ist dieser Wert nach Lockerungen im Juni in Bosnien und Herzegowina und in Serbien wieder rapide angestiegen. In Sarajevo werden täglich um die 80 Menschen angesteckt. In Belgrad, Südserbien und der ­Sandschak-Region um Novi Pazar sind unkontrollierbare Hotspots entstanden.

Verantwortlich dafür sollen Exilserben und -bosnier aus Deutschland, Österreich und Schweden sein, die im Juni in die Heimat reisten und mit ihren Familien feierten. Nach einem Fußballspiel mit 20.000 Zuschauern am 11. Juni in Belgrad verbreitete sich das Virus in ganz Serbien.

Lockerungen wegen der Wahlen in Serbien und Kroatien im Juli ließen auch in Kroatien die Zahlen ansteigen. Viele Ärzte und Bürger in Serbien und Bosnien fordern, wieder zu schärfen Maßnahmen zurückzukehren.

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