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Arzt über seine Klimasprechstunde„Klimaschutz ist Prävention“

Der Klimawandel kann krank machen. Der Arzt Ralph Krolewski aus dem nordrhein-westfälischen Gummersbach bietet deshalb eine Klimasprechstunde an.

Wenn die Temperaturen steigen, steigt auch die Gefahr zu dehydrieren Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago
Susanne Schwarz
Interview von Susanne Schwarz

taz: Herr Krolewski, solche heißen Tage, wie wir sie aktuell in Deutschland erleben, werden mit dem Klimawandel häufiger. Was macht die Hitze mit dem Körper?

Ralph Krolewski: Sie bringt unsere Temperaturregulierung an die Grenze. Hitzeerschöpfung und Kreislaufschwäche ist da häufig. Bei Überhitzung mit Hitzschlag, Nierenversagen bei Flüssigkeitsverlust und vorbestehender Herzschwäche kann Hitze sogar tödlich sein.

An Tagen mit Temperaturen über 30 Grad steigt die Sterbequote in Deutschland um etwa 10 Prozent. Wer ist betroffen?

Risikogruppen sind Kleinkinder, alte Menschen und chronisch Kranke. Hinzu kommen Menschen, die der Hitze besonders stark ausgesetzt sind, weil sie etwa in einer Dachgeschosswohnung leben, obdachlos sind oder draußen arbeiten. Das gilt vor allem, wenn die gefühlte Temperatur an mehr als zwei Tagen nacheinander über 32 Grad klettert. Extreme Gefahren drohen ab 38 Grad. Solche Hitzewellen sind hierzulande jetzt schon häufiger und stärker geworden, besonders seit Anfang des Jahrtausends.

Sie haben für ihre Patient:innen eine Klimasprechstunde entwickelt. Wie kann man sich das vorstellen?

Im Interview: Ralph Krolewski

Der 64-Jährige ist seit 1982 Arzt. Der Allgemeinmediziner hat sich im nordrhein-westfälischen Gummersbach niedergelassen. Er engagiert sich bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit und arbeitet mit in der Arbeitsgruppe Umwelt der hausärzt­lichen Weltorganisation Global Family Doctors.

Alle Versicherten haben alle drei Jahre einen Anspruch auf eine Gesundheitsuntersuchung. Die sollte sich nicht darin erschöpfen, dass einmal der Blutdruck, Laborwerte und körperlicher Status ermittelt werden, sondern auch die Auseinandersetzung mit Risikofaktoren beinhalten. Da gehört der Klimawandel dazu, denn er ist ja mit unserer Lebensweise verknüpft. Die müssen wir auch durch individuelles Engagement ändern, neben staatlichen Maßnahmen natürlich, sonst lassen sich die Ziele des Paris-Abkommens nicht erreichen.

Es kann in der Sprechstunde um die Anpassung an die Folgen des Klimawandels gehen wie bei der Hitze, aber auch um Klimaschutz. Prävention bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man Vorteile für den Klimaschutz auch als Teil einer gesunden Lebensweise betrachtet.

Wie läuft so ein Gespräch ab?

Es passiert in diesen Untersuchungen zum Beispiel, dass jemand über häufige Rückenschmerzen klagt. Ich gucke mir dann das Bewegungsprofil an. Übt die Person eine sitzende Tätigkeit aus? Wie legt sie Alltagswege zurück? Deutschland bewegt sich kaum. Das ist einer der Gründe dafür, dass der allgemeine Gesundheitszustand schlecht ist für ein Land mit einem so hochfunktionalen Gesundheitssystem.

Wenn sich also herausstellt, dass der von Rückenschmerzen geplagte Patient auch für kurze Strecken ins Auto steigt, empfehle ich, stattdessen zu laufen oder mit dem Rad zu fahren. Ich spreche an, dass das die Gesundheit verbessern und gleichzeitig den Planeten schonen würde. Das ist natürlich nur ein Beispiel von vielen.

Das heißt, man bucht Ihre Klimasprechstunde nicht – man landet unverhofft darin.

Die Klimasprechstunde ist eine Grundhaltung in meiner Arbeitsroutine: Gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten. Das ist dem Titel eines großen Berichts des Umweltprogramms der Vereinten Nationen entlehnt, der im März 2019 herausgekommen ist. Nach diesem Bericht habe ich überlegt, wie ich das in meiner Sprechstunde umsetzen kann.

Wie kommt es bei Ihren Patient:innen an, dass es bei einer ärztlichen Untersuchung plötzlich um die Klimakrise geht?

Ich habe noch keine Kritik gehört. Ganz im Gegenteil: Ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen innerlich schon auf dem Weg sind. Die Leute machen sich Gedanken über den Klimawandel. Sie interessieren sich dafür, wenn Fridays for Future mal wieder in den Medien waren. Wir haben hier im oberbergischen Land in Gummersbach auch direkt die Landwirtschaft vor Augen, die unter der Dürre leidet. Der Klimawandel ist in unserer Region, die auch große Waldgebiete hat, deutlich spürbar und wird wahrgenommen.

Hören denn die Leute auf Ihre Ratschläge?

Ich erteile nicht einfach Ratschläge. Dass das nicht funktioniert, wissen wir zum Beispiel aus der Rauchentwöhnung. Nur weil Ihr Arzt einmal sagt, dass eine Verhaltensänderung besser wäre, setzen Sie das nicht sofort um. Ich interessiere mich dafür, wie die Leute leben und was sie für Erfahrungen gemacht haben. Dann öffnet sich das Gespräch. Ich gucke, was sie selbst an ihrem Leben ändern wollen, gebe ihnen dazu evidenzbasierte Informationen und bestärke sie. Mein Ziel ist es, eine Reflexion anzuregen. Das ist eine schöne Arbeit.

Es hilft wahrscheinlich, dass zwischen Ärzt:innen und Patient:innen im Idealfall ein besonderes Vertrauensverhältnis herrscht.

Natürlich! Das durchschnittliche Hausarzt-Patientenverhältnis dauert länger als die durchschnittliche Ehe. Das ist eine wachsende Beziehung, ich behandele manche meiner Patienten seit Jahrzehnten. Das hat einen Stellenwert.

Sollte das Gesundheitswesen sich stärker in die Klimapolitik einmischen?

Ich arbeite mit einigen Kollegen darauf hin, dass vom Deutschen Ärztetag im nächsten Mai ein starkes Signal für Klimaschutz ausgeht. Das Thema wurde inzwischen auch von der Bundesärztekammer als Schwerpunkt aufgegriffen. Gesundheit und nachhaltige sowie soziale Politik gehören zusammen. Der Emissionslückenbericht des UN-Umweltprogramms vom vergangenen Herbst hat gezeigt, dass die Klimaziele vieler Staaten weltweit bisher absolut unzureichend sind. Die Anstrengungen müssen dringend verfünffacht werden, wenn wir die Erderhitzung bei 1,5 Grad stoppen wollen. Dabei kommt es vor allem auf die nächsten zehn Jahre an.

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