heute in hamburg: „Metapher für das Sich-Über-Wasser-Halten im Leben“
Schwimmen und Lesen: „Swimming und Floating“ im Naturbad Kiwittsmoor, Hohe Liedt 9: 11 bis 14 Uhr. Badetücher an den Plätzen
Interview Regina Seibel
taz: Frau Hans, warum sollen die Besucher neben dem Lesen auch noch auf dem Wasser treiben?
Annette Hans: Der Bad Boy Jesus City Swimmers Club ist ein Projekt des Hamburger Künstlers Mitko Mitkov, das per Mail zu Schwimmterminen einlädt oder Texte verschickt. Wir wollten das Schwimmen mit dem Lesen verbinden. Das Treiben steht metaphorisch für das Sich-Über-Wasser-Halten im Leben der Stadt. Die Besucher schweben auf dem Wasser, verlieren den eigenen Standpunkt und lesen dabei nicht-westliche Literatur.
Warum gerade nicht-westliche Literatur?
Zusammengestellt werden die Bücher vom Hopscotch Reading Room aus Berlin. Sie bieten Bücher an, die sich auf das aktuelle Weltgeschehen beziehen, aber eine alternative Perspektive darauf bieten. So wie sich auch beim Treiben auf dem Wasser der Standpunkt verflüssigt, können auch die Leser durch die anderen Perspektiven den eigenen Standpunkt ändern. Schwimmen ist zudem eine Technik, um sich in einem artfremden Umfeld zu bewegen. Die Menschen sollen sich nicht nur auf ihre nähere Umgebung konzentrieren.
Woher kommen die Bücher genau und wovon handeln Sie?
Die Bücher sind aus Asien, Lateinamerika und Afrika. Sie sind alle englischsprachig, da es meistens keine deutschen Übersetzungen gibt. Wir bieten aber auch Texte aus den USA an. Oft steht eine Migrationserfahrung im Hintergrund. Die Themen orientieren sich daran, was uns momentan im Kunstverein beschäftigt. Wegen der Corona-Krise ging es bei uns in letzter Zeit allgemein um Nähe, Distanz und Orte. Eigentlich hatten wir Künstler nach Hamburg eingeladen. Das war dann nicht mehr möglich.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Annette Hans,37, ist künstlerische Leiterin des Kunstvereins Harburger Bahnhof.
Sevda Semer, eine Künstlerin aus Sofia in Bulgarien, hätte im Kunstverein eine Wandmalerei gestalten sollen. Stattdessen schrieb sie einen Text zu einer konkreten Situation in Sofia, der bei uns zu hören war. Wir haben versucht, die Künstlerin und die Stadt bestmöglich hierher zu übertragen.
Und was gibt es beim Floaten zu lesen?
Wir haben ein Buch eines japanischen Autors im Angebot, der fragt, wo Europa beginnt. Wir haben aber auch ganz andere Texte. In Leanne Shaptons „Swimming studies“ wird das Schwimmen als Ausgangspunkt genommen, um das Sich-Über-Wasser-Halten zu thematisieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen