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„Zur Lichtgestalt heroisiert“

Der niederländische Philosoph Johannes Max van Ophuijsen kämpft gegen eine Ehrung: Würde das „Friedenslabor“ des Museumsquartiers Osnabrück nach Hans-Georg Calmeyer benannt, einem örtlichen NS-Juristen, wäre das für ihn ein Skandal

privat

Johannes Max van Ophuijsen ist Dozent für Philosophie an der

Universität Utrecht, Niederlande. Mit dem Journalisten Hans Knoop hat er eine Petition initiiert.

Interview Harff-Peter Schönherr

taz: Herr van Ophuijsen, haben Sie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Reaktion auf Ihre Petition bekommen, in der Sie sich gegen Bundeszuschüsse wehren, sollte das „Friedenslabor“ in Osnabrück nach Hans-Georg Calmeyer benannt werden?

Johannes Max van Ophuijsen: Bis jetzt nicht.

Enttäuscht Sie das?

Nein. Die Stadt Osnabrück erhält dadurch ja Gelegenheit, klarzustellen, dass es keine Benennung nach Calmeyer geben wird – ohne dass es dazu einer Einflussnahme aus Berlin bedarf. Ich bin nie davon ausgegangen, dass diese Namensfrage durch einen Offenen Brief der Kanzlerin aus der Welt geschafft wird. Es gibt diskretere Wege. Schließlich soll niemand das Gesicht verlieren. Mich interessiert das Ergebnis. Wie es erreicht wird, ist zweitrangig.

Sie waren Mitte Juli in Osnabrück, auf Einladung von Kulturdezernent Wolfgang Beckermann (parteilos), haben sich auch mit Nils Arne Kässens getroffen, dem Direktor des Museumsquartiers Osnabrück, mit Alfons Kenkmann, dem Leiter des Beirats für das „Friedens­labor“. Wie sind diese Gespräche verlaufen?

Freundschaftlich und konstruktiv, sehr auf Kooperation bedacht. Wir sprechen und handeln weitgehend im selben Geist.

Was heißt das?

Wir alle sind uns der Komplexität des Falls Calmeyer sehr bewusst, der Ambivalenz dieses Mannes als mutmaßlichem Helfer und Täter. Wir stimmen überein, dass es nicht plausibel wäre, nicht klug, das „Friedenslabor“ nach ihm zu benennen.

Wie beurteilen Sie das Konzept, das die Agentur Schwerdtfeger & Vogt für das „Friedenslabor“ vorgestellt hat?

Es verwendet Begriffe wie Haltung und Courage, und das klingt inspirierend. Eins fällt allerdings auf: Sie scheinen davon auszugehen, dass das „Labor“ primär ein Haus über Calmeyer werden soll. Dass es ihr Auftrag ist, Calmeyer als eine Zentralgestalt der Stadtgeschichte zu präsentieren, und das ist ganz offenkundig nicht das, was der Beirat will. Es wird sich zeigen, ob das nur ein Fehler war, der korrigiert wird, oder ob etwas Ernsteres dahintersteckt.

In Osnabrück gibt es starke Kräfte, die für ein Calmeyer-Haus plädieren. Ihre Petition wurde teils scharf attackiert. Jetzt steht der Vorwurf im Raum, Sie hätten Calmeyer als Kriegsverbrecher bezeichnet.

Ja, seltsam. So scheint er selbstverständlich dem Nachwuchs seiner Opfer, aber das haben wir nie gesagt. Calmeyer wird in Osnabrück von manchen zur Lichtgestalt heroisiert. Weil wir das in Frage stellen, unterstellt man uns, dass wir ihn schwarzzeichnen. Offensichtlich soll die Last der Beweisführung umgekehrt werden. Nicht wir müssen beweisen, dass Calmeyer keine Lichtgestalt ist. Wer ihn zu einer erheben will, müsste beweisen, dass er wirklich eine war.

Vor allem die örtliche „Hans-Calmeyer-Initiative“ ereifert sich gegen Sie.

Ja, denn sie ist nicht neutral, und das ganz strukturell. In ihrer Satzung steht, Calmeyer sei vorbildhaft gewesen, beispielgebend. Da herrscht also eine vorgefasste Meinung.

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