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Polizeieinsatz in der Rigaer Straße 94Gericht ignoriert, Mafiosi hofiert?

Die Polizei hat sich im Zuge ihres Einsatzes womöglich über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt. Wieder stellt sich die Frage: Wer ist der Eigentümer?

Dunkle Machenschaften in der Rigaer Straße? Foto: dpa

Berlin taz | Wieso verschaffte die Polizei bei ihren Einsätzen in der Rigaer Straße 94 Ende vergangener Woche Vertretern der Hausverwaltung Zugang zum Haus und hielt diese auch nicht davon ab, sich Zugang zu Wohnungen zu verschaffen? Eine Stellungnahme der Polizei auf Anfrage der taz, trägt zur Aufklärung nicht bei.

Beantwortet wird dagegen, wie der Kontakt zustande kam: Demnach sei der Hausverwalter knapp anderthalb Stunden nach dem begonnenen Einsatz am Donnerstagmorgens um 7 Uhr von der „Führungsgruppe des Polizeiführers über die Maßnahmen in Kenntnis gesetzt“ und gebeten worden, „etwaig notwendig gewordenen Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen“.

Nach taz-Informationen hat die Hausverwaltung Torsten Luschnat, die erst seit Kurzem ihre Zuständigkeit für das Haus behauptet, der Polizei einen Vertrag vorgelegt, der sie für alle Arbeiten autorisieren soll, unterschrieben vom Geschäftsführer der Eigentümerfirma Lafone Investments Limited, Mark Robert Burton. In einem weiteren Papier bestätigt der Notar James Boyer Burtons Identität. Die Polizei hat diese Schreiben offenbar akzeptiert – und sich damit über zwei Landgerichtsentscheidungen von 2018 und 2019 hinweggesetzt.

In der Urteilsbegründung vom 13. Juni 2019 zur abgewiesenen Räumungsklage gegen die Kneipe Kadterschmiede heißt es, die Lafone Investments habe „nicht im Detail dargelegt, dass Mark Robert Burton als (alleiniger) ‚director‘ und damit Vertreter der Klägerin fungiert. Die von der Klägerin zum entsprechenden Nachweis vorgelegte Bescheinigung des Notary Public James Boyer vom 14.09.2018 reicht nach dem Dafürhalten der Kammer insofern nicht aus.“

Im Klartext: Für das Gericht ist es nicht erwiesen, dass Burton im Namen der Eigentümerfirma agieren und Vollmachten, etwa für einen Verwalter ausstellen darf. Auf eine detaillierte Anfrage, wieso die Polizei zu einer anderen Einschätzung kommt, teilt sie lediglich mit: „Für den Polizeieinsatz wurde eine ausreichende Legitimation nachgewiesen.“

Innenbehörde duckt sich weg

Die Innenverwaltung von Senator Andreas Geisel (SPD) beantwortet ebenfalls nicht, wie die Polizei zu ihrer Einschätzung kam, obwohl sie als Rechts- und Fachaufsicht für die Polizei die Verantwortung trägt. Sie teilt lediglich mit, dass die „Innenverwaltung nicht über einsatztaktische Maßnahmen vor Ort“ entscheide.

Die Friedrichshain-Kreuzberger Bundestagsabgeordnete und Anwältin Canan Bayram (Grüne) kritisiert das gegenüber der taz als „Hin- und Herschieben von Verantwortung“: „Die Polizei muss sich danach richten, was ein Gericht sagt. Tut sie das nicht, ist das rechtsstaatlich inakzeptabel“, so Bayram.

Zu klären ist auch, wieso sich die Hausverwaltung Zugang zu mindestens einer Wohnung verschaffte, für die kein Räumungstitel, aber ein gültiger Mietvertrag vorlag. Als Begründung, dies nicht unterbunden zu haben, heißt es von der Polizei, dass „für diese Wohnung kein Miet- oder Meldeverhältnis bestand und keine Anzeichen dafür vorlagen, dass diese bewohnt wäre“.

Mit der Hausverwaltung kamen Bauarbeiter ins Haus, gegen die das Hausprojekt nun neue Vorwürfe erhebt. Auf Instagram postete ein Bauarbeiter ein Video, in dem er mit einem Kollegen über die „Punkers“ und die Polizei spricht und ihn fragt, ob man bei „antisemitischen“ Äußerungen bei beiden zum Staatsfeind würde. Auf dem Hinterkopf des Kollegen ist ein Tattoo mit der Aufschrift „Combat 81 – East Area“ zu sehen, einem 2016 aufgelösten Hells-Angels-Club aus Dessau. Für Bayram könnte dieses eingesetzte Personal darauf deuten, dass der unbekannte Hauseigentümer ein „Mafioso mit Unterweltkontakten“ sein könnte.

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1 Kommentar

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  • Hat Herr Geisel seinen Laden noch im Griff? Oder ist das alles gar in seinem Sinne?