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Bedrohte ukrainische JournalistinEkaterina Sergatskowa in Gefahr

Die ukrainische Journalistin Ekaterina Sergatskowa muss sich und ihre Familie verstecken. Wegen einer Recherche wird sie bedroht.

Es herrsche große Angst unter Journalist:innen in der Ukraine, sagt Ekaterina Sergatskowa Foto: Hanna Hrabarska/n-ost

Berlin taz | Die Drohungen gegen die ukrainische Journalistin Ekaterina Sergatskowa eskalieren am 11. Juli. Da wird die Angst um ihr Leben und das ihrer Familie besonders groß, sagt sie. Roman Skrypin, ein bekannter national eingestellter ukrainischer Fernsehmoderator, veröffentlicht an diesem Tag auf seiner Facebook-Seite ein Foto, das Sergatskowa mit ihrem Sohn zeigt, dazu dessen Namen und ein Foto eines Hauses, das Skrypin für Sergatskowas hält. Später wird dieser Post seitens Facebook entfernt werden. Skrypin wird das nicht davon abhalten, weitere Beiträge dieser Art zu veröffentlichen. Er wird noch einen Post machen, und noch einen. Fünf oder sechs weitere, sagt Sergatskowa.

Roman Skrypin hat fast 140.000 Abonennt:innen auf Facebook. Eine enorme Reichweite für einen Medienschaffenden in der Ukraine. In den Kommentaren unter Skrypins Beiträgen werfen Facebook-User Sergatskowa vor, eine russische Spionin zu sein. Sergatskowa, die in Russland geboren ist, verließ 2008 das Land, um in der Ukraine zu arbeiten – seit 2015 besitzt sie die ukrainische Staatsbürgerschaft. Andere User drohen Sergatskowa mit Gewalt und veröffentlichen ihre Adresse. Sie erhält Morddrohungen.

Facebook hat die meisten dieser Beiträge und Drohungen nach Meldung durch Nutzer:innen entfernt, der taz liegen Screenshots vor. Noch immer aber findet sich auf dem Profil von Skrypin ein Foto von Sergatskowa und ihrem Sohn. „Haben die Info-Komsomol-Mitglieder den Beitrag blockiert?“, steht darüber, in Anspielung auf die Jugendorganisation der sowjetischen Kommunistischen Partei. „Macht nichts. Ich werde noch zehn weitere schreiben.“

Zwei Tage nachdem die privaten Informationen über Sergatskowa offengelegt werden, entschließt sie sich, Kiew zu verlassen. Zu gefährlich sei es gewesen, zu Hause zu bleiben, sagt sie der taz. Sie fürchte um die Sicherheit ihrer Kinder und ihres Mannes. Aktuell versteckt sich Sergatskowa mit ihrer Familie an einem geheimen Ort.

Recherche über NGO und Neonazis

Ekaterina Sergatskowa, 32, ist Chefredakteurin des unabhängigen Onlinemediums Zaborona. Dass sie bedroht wird und nun um ihr Leben fürchten muss, hat mit einer Recherche zu tun. Am 3. Juli veröffentlicht Zaborona einen Artikel, der Verbindungen zwischen der ukrainischen Nichtregierungsorganisation Stop Fake und ukrainischen Neonazis darlegt. Stop Fake genießt besonders in Westeuropa einen guten Ruf, die Organisation will die Verbreitung falscher Informationen über die Ukraine stoppen.

Stop Fake, das sagt auch Sergatskowa, hat in den Jahren 2014 und 2015 wichtige Arbeit für die Demokratie in der Ukraine geleistet. In den Jahren also, als der Krieg im Donbass, im Osten des Landes, und die Ereignisse auf der von Russland annektierten Krim auf dem Höhepunkt waren. Die Erzählung vom „grassierenden Faschismus“ in der Ukraine war damals einer der zentralen Bestandteile russischer Propaganda.

Brisante Ergebnisse

In der Anfang Juli veröffentlichten Recherche von Zaborona heißt es nun, führende Köpfe von Stop Fake unterhielten Freundschaften zu Mitgliedern rechtsextremer und neonazistischer Gruppen. Brisant ist das deshalb, weil Stop Fake einer der beiden ukrainischen Partner im Facebook-Programm zur Überprüfung von Fakten ist. Die Erkenntnisse lassen Zweifel an Stop Fakes Urteilsvermögen aufkommen. Haben die Verbindungen zu Neonazis auch Einfluss darauf, wie die Organisation Falschinformationen auf Facebook bewertet?

Stop Fake weist die Anschuldigungen von Zaborona zurück. In einer Stellungnahme heißt es, Zaborona sei Teil einer Kampagne der „Belästigung und Einschüchterung durch prorussische Medien“.

Neu seien die Erkenntnisse über Stop Fake nicht, sagt Sergatskowa. „Journalisten haben schon im Frühling über den Fall gesprochen, als Facebook Stop Fake als offiziellen Partner bekannt gab.“ Die Diskussion damals hätte aber hauptsächlich unter westlichen Journalisten stattgefunden. „Unser Artikel war keine Überraschung. Aber: Niemand in der Ukraine hat je über das Thema diskutiert.“ Warum löst aber gerade der Text von Zaborona eine Welle von Drohungen aus?

Es sei für Journalisten in der Ukraine schwer geworden, über Probleme im Land zu sprechen, sagt Sergatskowa. Russland habe mit seiner Propaganda einen Rahmen für das Sagbare geschaffen: „In den letzten vier Jahren sind Tabus entstanden. Es herrscht eine große Angst unter Journalisten.“ Angst davor, Kritik zu äußern – da diese Russland in die Hände spielen oder man selbst als Spion bezeichnet werden könnte.

Anfeindungen an Bedeutung gewonnen

Drohungen, Belästigungen und Doxing – diese Formen der Anfeindungen haben in den vergangenen vier Jahren in der Ukraine an Bedeutung gewonnen. Für Sergatskowa ist das nicht neu. Nur das Ausmaß mache ihr diesmal mehr Angst. Bis heute habe die Polizei ihren Fall nicht dokumentiert. Die Polizei habe gesagt, sie sehe keinen Grund dafür. Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, kann das nicht verstehen.

„Wer Drohungen gegen kritische Medienschaffende nicht verfolgt und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zieht, lädt zur Nachahmung solcher Taten geradezu ein“, sagt er der taz. Die Drohungen bezeichnet er als „absolut inakzeptabel“. Sergatskowa selbst hofft weiterhin, dass die Polizei in ihrem Fall ermitteln wird. Die Erfahrung zeige aber, sagt sie, dass man sich darauf nicht verlassen könne.

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1 Kommentar

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  • W. Putin kann nichts Besseres passieren. Er kann sich beruhigt zurücklehnen und zuschauen, wie UkrainerInnen aufeinander losgehen, statt gemeinsam ihr Land gegen den scheinbar übermächtigen Nachbarn Russland zu stärken. Sollte mich nicht wundern, wenn Putins Leute dabei ihre Finger im Spiel haben, nach dem Motto: „Teile und herrsche!“.