heute in hamburg: „Die Faschos haben es zerstört“
Dokumentarfilm „The Remains – Nach der Odyssee“ und Kurzfilm „Memorial in Thermi“: 21 Uhr, Alte Schule Niendorf, Tibarg 34, Open Air, kostenlos
Interview Maike Krob
taz: Frau Stroux, wie trauern Hinterbliebene von ertrunkenen Flüchtlingen?
Marily Stroux: Es ist schwer zu begreifen, dass ein Freund oder Familienmitglied vermisst wird. Sie haben keine Leiche, die sie begraben können. Sie wollen nicht glauben, dass die Person ertrunken ist. Deshalb verlangen sie immer, dass man ihnen den Toten zurückschickt, was fast unmöglich ist. In den meisten Fällen findet man den Körper nicht oder erst viel später.
Deswegen errichten Sie die Denkmäler?
Ja. So haben wir angefangen mit den Memorials. Wir hatten zwei konkrete Menschen zum Anlass: Der eine hatte seine Frau verloren und der andere seinen besten Freund. Wir sind an die Stelle gegangen, wo sie höchstwahrscheinlich ertrunken sind. Es war wichtig einen temporären Ort zu haben, wo für eine kurze Zeit Respekt gegenüber dem Toten und der Toten gezeigt wird.
Wer ist „wir“?
Wir sind das Netzwerk Welcome to Europe, das aus Menschen aus mehreren Ländern besteht. Ein großer Teil der Menschen war auf der Flucht und hat jetzt Papiere in Europa. Sie reisen zurück an die Grenzen.
Und wo stehen die Denkmäler?
Wir haben bis jetzt eins in Evros und zwei in Lesbos gemacht, wo auch das „Memorial in Thermi“ steht. Lesbos und Evros sind Bezirke in Griechenland.
Marily Stroux 69, hat als Fotografin (auch für die taz) gearbeitet und ist heute Teil des Netzwerkes Welcome to Europe.
Wie sieht das „Memorial in Thermi“ aus?
Wir haben zwei Paddel aneinander geschraubt und ein Schild daran angebracht. Das Memorial stand im Fischerhafen von Thermi, das ist ein Hafen auf Lesbos. Von diesem Hafen aus fahren die Fischer auf das Mittelmeer raus. Es gibt einen Fischerklub, der sich vor oder nach dem Fischen trifft, und von ihnen wollten wir das Einverständnis für den Ort, weil einige von ihnen dort die Leichen der Flüchtlinge bergen. Davon sind diese Fischer traumatisiert. Das Denkmal stand an der Stelle, wo sie die letzte Leiche geborgen haben.
Haben Sie vor, den Ort wieder zu besuchen?
Wir gehen jedes Jahr zu der Stelle, aber das „Memorial in Thermi“ ist nicht mehr da. Die Faschos haben es zerstört. Sie haben die Namen schwarz übermalt und es dann ganz ins Meer geworfen. Wir haben nur Teile von den Paddeln gefunden. Wir wollen es wieder aufbauen, aber wissen noch nicht wo. Wir arbeiten daran, dass die lokalen Bewohner es auch zu ihrer Sache machen, dass Menschen in der Nähe ihres Ortes sterben.
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