Neues Album von Dream Wife: Von Melancholie bis Moshpit
Mit ihrem zweiten Album setzt die Band Dream Wife ein Zeichen: Ausschließlich Frauen arbeiteten an der Produktion mit.
Vom Debütalbum der Band Dream Wife – veröffentlicht 2018 – ist ein Song besonders im Ohr hängen geblieben: „Somebody“. Die Zeile „I’m not a body / I am somebody“ aus dem Song skandierte Sängerin Rakel Mjöll auf Clubbühnen und Festivals zugleich. Nicht nur damit brüskierte sie den ein oder anderen Konzertbesucher: Bei den Auftritten der Band gilt „Girls to the front“. Konkret heißt das: Frauen sollen nach vorne, Männer müssen sich hinten anstellen.
Diesen Frontalunterricht verfolgen Dream Wife nicht nur bei ihren Konzerten, sondern auch bei der Arbeit im Tonstudio. Der Anteil von Produzentinnen und Mischerinnen liegt laut einer Studie der Audio Engineering Society von 2018 zwischen 5 und 7 Prozent. Mit ihrem zweiten Album setzen Dream Wife ein Zeichen: An der Produktion von „So When You Gonna …“ arbeiteten ausschließlich Frauen.
Männer müssen sich hinten anstellen
Statt vom Punk hat sich das in London ansässige Trio – Sängerin Rakel Mjöll, 29, Gitarristin Alice Go, 28, und Bassistin Bella Podpadec, 27, für sein neues Werk deutlich von Pop beeinflussen lassen. Auf „Sports!“ – dem Auftaktsong – wechseln sich treibende Gitarrenriffs und Wortfetzen in einem pingpongartigen Zusammenspiel ab. Mit ihrer prägnanten Stimme, die immer wieder den Akzent ihres Heimatlandes Island zum Vorschein bringt, fordert Sängerin Mjöll „Put your money where your mouth is“. Im Videoclip zur Single probieren sich die drei Musikerinnen an verschiedenen Sportdisziplinen wie Badminton, Boxen oder Radfahren aus.
Empfohlener externer Inhalt
Dream Wife – So When You Gonna...
Nach dem schweißtreibenden Einstieg geht es entschleunigter weiter: „Hasta la vista“ ist ein melancholischer Abgesang auf verflossene Beziehungen und Freundschaften. Auch „U Do U“ und „Old Flame“ stimmen ruhige Dream-Pop-Töne an, die man von der britischen Band bislang so nicht gewöhnt war. „Temporary“ könnte auch einer dieser federleichten Popsongs sein, mit seinem Text sticht er auf dem Album dann aber heraus.
„If the heartbeat fades / You know I’m here / With a full embrace“, singt Mjöll. Der Song handelt von der Fehlgeburt einer Freundin. Dank der verhaltenen Instrumentierung werden Dream Wife diesem sensiblen Thema auch musikalisch gerecht.
Deutlich unbeschwerter geht es in Songs wie „Homesick“, „RH RN“ oder dem titelgebenden „So When You Gonna …“ zu. Besonders Letzterer erinnert an den ebenso spaßigen wie feierwütigen Punk-Entwurf, den Dream Wife noch auf ihrem Debüt präsentierten.
Messerscharfe Analysen
Die Gitarren- und Basslines nehmen wieder Fahrt auf, auch Mjölls Stimme überschlägt sich zwischen Gesang und Geschrei fast. Während sie im Refrain von „So When You Gonna …“ wiederholt die Frage „So when you gonna kiss me?“ schreit, kann man bereits vom Moshpit in der Post-Pandemie-Zeit träumen.
Dream Wife: „So When You Gonna...“ (Lucky Number Music/Rough Trade)
Mit dem fast sechsminütigen „After the Rain“, das akustisch instrumentiert, beweist die Band, dass sie auch herzzerreißende Balladen beherrscht. „It’s my choice/ My life/ It’s my sacrifice/ It’s my body/ My right“, singt Mjöll mit beachtlichem Falsett über eine Abtreibung. In ihren Texten analysieren Dream Wife gesellschaftliche Schieflagen messerscharf und garnieren sie mit alltäglich klingenden Anekdoten.
Es sind Geschichten über die kleinen und großen Herausforderungen des Frauseins, die von der Band selbst, aber auch jeder anderen Mit- und Endzwanzigerin handeln könnten. Mit „So When You Gonna …“ schaffen Dream Wife ein stimmiges Album, das sich zwischen Eskapismus und Ernsthaftigkeit, Melancholie und Moshpit bewegt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Tarifverhandlungen bei Volkswagen
VW macht weiterhin Gewinn