Ostdeutsche in Leitungsfunktionen: Eine Quote macht keinen Sinn
Ostdeutsche sind in Wirtschaft, Politik und Forschung nach wie vor benachteiligt. Nur: Rechtfertigt das eine Quotenregelung? Mitnichten.
Bitte keine Quote, findet unsere Autorin. Denn woran bemisst sich heute, wer ostdeutsch ist? Foto: imago
Wie schön: Das Bundesverfassungsgericht hat zum ersten Mal eine ostdeutsche Frau in seinen Reihen. Die Ernennung von Ines Härtel, 1972 in Staßfurt in Sachsen-Anhalt geboren und bislang Juraprofessorin in Frankfurt an der Oder, erhöht die Ostdeutschenquote in Karlsruhe um 100 Prozent. Das wird 30 Jahre nach dem Mauerfall auch mal Zeit. Denn Ostdeutsche sind in Spitzenämtern heute immer noch unterrepräsentiert.
Lediglich 2 Prozent der DAX-Vorstände kommen aus Ostdeutschland, nur jedes zehnte Mitglied im Bundeskabinett hat einen ostdeutschen Hintergrund und nur 6 Prozent der Staatssekretär*innen. Und nur eine einzige Uni wird von einer ostdeutschen Führungskraft geleitet. Studien sprechen von einem Ostanteil an der bundesdeutschen Elite zwischen 2 und 9 Prozent – je nach Erhebung.
Rechtfertigt das eine Ossiquote, nach der an dieser Stelle immer so gern gerufen wird, um Ostdeutschen mehr Entscheidungshoheit in Politik, Wissenschaft, Kultur einzuräumen? So, wie auch die Frauenquote den weiblichen Anteil am Spitzenpersonal erhöhen soll?
Mitnichten. Woran bemisst sich heute, wer ostdeutsch ist? Ist es die 80-Jährige, die als Kind von Magdeburg nach München zog? Der Mann aus Solingen, der in den ersten Wochen nach dem Mauerfall nach Berlin-Prenzlauer Berg ging und bis heute dort lebt? Ist es die Studentin in Leipzig, die ursprünglich aus dem Taunus kommt, mit einem Ostmann liiert ist und sich mittlerweile als Ostdeutsche fühlt? Was ist mit den Ostdeutschen in der dritten Generation? Und was mit den 25-Jährigen, die ostdeutsche Eltern haben, aber gesamtdeutsch aufgewachsen sind? Und da wäre auch noch Angela Merkel: in Hamburg geboren, aber als erste ostdeutsche Kanzlerin gelabelt.
Eine Ostdeutschenquote macht keinen Sinn. Sie wäre zudem – und das ist der Unterschied zur Frauenquote, die nach vorn gerichtet ist – ein einziger Blick zurück. Sie würde Gräben zwischen Ost und West aufreißen, die geschlossen sein sollten. Personalien wie die von Ines Härtel tragen dazu bei, das genau das nicht passiert.
Ostdeutsche in Leitungsfunktionen: Eine Quote macht keinen Sinn
Ostdeutsche sind in Wirtschaft, Politik und Forschung nach wie vor benachteiligt. Nur: Rechtfertigt das eine Quotenregelung? Mitnichten.
Bitte keine Quote, findet unsere Autorin. Denn woran bemisst sich heute, wer ostdeutsch ist? Foto: imago
Wie schön: Das Bundesverfassungsgericht hat zum ersten Mal eine ostdeutsche Frau in seinen Reihen. Die Ernennung von Ines Härtel, 1972 in Staßfurt in Sachsen-Anhalt geboren und bislang Juraprofessorin in Frankfurt an der Oder, erhöht die Ostdeutschenquote in Karlsruhe um 100 Prozent. Das wird 30 Jahre nach dem Mauerfall auch mal Zeit. Denn Ostdeutsche sind in Spitzenämtern heute immer noch unterrepräsentiert.
Lediglich 2 Prozent der DAX-Vorstände kommen aus Ostdeutschland, nur jedes zehnte Mitglied im Bundeskabinett hat einen ostdeutschen Hintergrund und nur 6 Prozent der Staatssekretär*innen. Und nur eine einzige Uni wird von einer ostdeutschen Führungskraft geleitet. Studien sprechen von einem Ostanteil an der bundesdeutschen Elite zwischen 2 und 9 Prozent – je nach Erhebung.
Rechtfertigt das eine Ossiquote, nach der an dieser Stelle immer so gern gerufen wird, um Ostdeutschen mehr Entscheidungshoheit in Politik, Wissenschaft, Kultur einzuräumen? So, wie auch die Frauenquote den weiblichen Anteil am Spitzenpersonal erhöhen soll?
Mitnichten. Woran bemisst sich heute, wer ostdeutsch ist? Ist es die 80-Jährige, die als Kind von Magdeburg nach München zog? Der Mann aus Solingen, der in den ersten Wochen nach dem Mauerfall nach Berlin-Prenzlauer Berg ging und bis heute dort lebt? Ist es die Studentin in Leipzig, die ursprünglich aus dem Taunus kommt, mit einem Ostmann liiert ist und sich mittlerweile als Ostdeutsche fühlt? Was ist mit den Ostdeutschen in der dritten Generation? Und was mit den 25-Jährigen, die ostdeutsche Eltern haben, aber gesamtdeutsch aufgewachsen sind? Und da wäre auch noch Angela Merkel: in Hamburg geboren, aber als erste ostdeutsche Kanzlerin gelabelt.
Eine Ostdeutschenquote macht keinen Sinn. Sie wäre zudem – und das ist der Unterschied zur Frauenquote, die nach vorn gerichtet ist – ein einziger Blick zurück. Sie würde Gräben zwischen Ost und West aufreißen, die geschlossen sein sollten. Personalien wie die von Ines Härtel tragen dazu bei, das genau das nicht passiert.
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Schwerpunkt Ostdeutschland
Kommentar von
Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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