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Einigung über KohleausstiegsgesetzMehr Geld für Steinkohle

Union und SPD haben sich über die letzten Details geeinigt und das Kohleausstiegsgesetz kann am Freitag verabschiedet werden. Klimaschützer planen Proteste.

Bekommen auch ihren Lebensabend vergoldet: Steinkohlekraftwerke wie hier im niedersächsischen Mehrum Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin rtr/taz | Der Weg zum Gesetz für einen Kohleausstieg in Deutschland bis 2038 ist frei. Union und SPD verständigten sich nach mehrtägigem Ringen auf die zuletzt noch umstrittenen Regelungen für die Entschädigung von Steinkohle-Betreibern, wie Vertreter beider Fraktionen am Montagabend Reuters bestätigten. Gegenüber dem Gesetzentwurf der Regierung wurden noch einmal höhere Entschädigungen für die Betreiber von Steinkohle-Meilern und mehr Hilfen bei einer Umrüstung auf hocheffiziente Gas- und Wärmekraftwerke verankert.

Damit kann der Bundestag am Freitag das gesamte Kohleausstiegsgesetz sowie die Hilfen für die betroffenen Regionen beschließen. Bis spätestens 2038 soll demnach das letzte Kraftwerk vom Netz. In das Rheinische Revier sowie vor allem in die ostdeutschen Gebiete sollen insgesamt bis zu 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel fließen. „Damit ist der Weg frei für eine Zukunftsperspektive in den Kohleregionen“, sagte der SPD-Wirtschaftsexperte Bernd Westphal. „Niemand fällt ins Bergfreie“. Sein Unions-Kollege Joachim Pfeiffer wies daraufhin, dass auch Betreiber jüngerer Kraftwerke nun eine Chance bekämen, ihre Kosten zu verdienen: „Wir schaffen damit Planungs- und Investitionssicherheit.“

Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch bereits die milliardenschweren Entschädigungsverträge mit den Betreibern von Braunkohlemeilern in einer sogenannten Formulierungshilfe für den Bundestag gebilligt. Die öffentlich-rechtlichen Verträge sichern den Konzernen damit gut 4,3 Milliarden Euro zu. Im Gegenzug muss das letzte Kohlekraftwerk spätestens 2038 abgeschaltet werden und die Unternehmen verzichten auf Klagen. Die EU-Kommission muss den Zahlungen noch zustimmen. Während der Braunkohleausstieg so geregelt war, gab es noch über das Wochenende ein langes Ringen um die Entschädigung für Steinkohlemeiler.

Der Koalition zufolge sollen auf der einen Seite nun sowohl die Entschädigungen bei Stilllegungen wie auch die Umrüstungshilfen für Steinkohlemeiler auf das klimafreundlichere Gas größer als geplant ausfallen. Der Umrüstungsbonus wird von 180 Euro pro Kilowatt auf 390 Euro mehr als verdoppelt werden. Dies gilt aber nur für Kraftwerke mit einem Alter von maximal 25 Jahren und bei einer Umrüstung bis Ende 2022. Bei späterer Umrüstung auf Gas sinkt der Bonus demnach jedes Jahr um 25 Euro. Anlagen, die zwischen 25 und 35 Jahre alt sind, können anfangs mit 225 Euro pro Kilowatt rechnen. Auch hier sinkt aber die Summe bei späterer Umrüstung.

Höhere Entschädigung für Steinkohle-Betreiber

Um nicht umgerüstete Steinkohle-Meiler komplett vom Netz zu nehmen, hatte die Regierung ein Verfahren mit Ausschreibungen gewählt: Die Betreiber können sich jährlich um einen Abschaltbonus bewerben. Wer am wenigsten fordert, bekommt den Zuschlag. Eigentlich sollten diese Ausschreibungen nur bis 2026 laufen. Danach sollten entschädigungslos bis 2033 alle übrigen Steinkohlekraftwerke nach Alter abgeschaltet werden. Diese Ausschreibungsrunden sollen der Koalition zufolge nun aber bis 2027 verlängert werden.

Eine Verbesserung für die Betreiber ist auch bei den maximalen Entschädigungssummen geplant, die in den Runden verlangt werden können: Bis 2023 bleiben diese Summen gegenüber den bisherigen Plänen zwar unverändert, in den Folgejahren bis 2027 sollen sie aber höher ausfallen. Im Jahr 2026 beispielsweise mit 89.000 Euro pro Megawatt Leistung gut doppelt so hoch wie ursprünglich geplant.

Protest von Umweltgruppen

KlimaschützerInnen übten erneut scharfe Kritik am Gesetz. „Das Kohleausstiegsgesetz ist ein zementierter Skandal der Nicht-Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und darf in dieser Form keinesfalls verabschiedet werden“, sagte Lilith Rein, Aktivistin von Fridays for Future. „Andernfalls droht die Beschleunigung der Klimakrise und damit die Zerstörung unsererer Zukunft.“ Um gegen das Gesetz zu protestieren, plant Fridays for Future gemeinsam mit Greenpeace, der BUNDjugend, Extinction Rebellion Berlin, Ende Gelände und dem ADFC am Donnerstag eine Fahrraddemonstration durchs Regierungsviertel.

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