Protest gegen RWE-Aktionärstreffen: Gegen weichgespülten Kohleausstieg
Am Freitag sind Umweltschützer*innen gegen den RWE-Konzern auf der Straße. Mehrere Bagger in Garzweiler wurden besetzt.
Ein Anlass der Proteste ist die RWE-Hauptversammlung, die am Freitag wegen der Corona-Pandemie erstmals digital stattfindet – das Treffen in der Essener Grugahalle, bei dem die Aktiengesellschaft ihre Kleinaktionär*innen traditionell mit Würstchen und Kartoffelsalat abfüttert, fällt in diesem Jahr aus.
Auf der Straße wird aber ganz real gegen die Umweltzerstörung durch den Stromerzeuger demonstriert: Aktivist*innen haben eine Kundgebung vor dem RWE-Campus an der Altenessener Straße durchgesetzt. Gleichzeitig demonstrieren Schüler*innen von Fridays for Future in der Essener Innenstadt.
Aktivist:innen besetzen Braunkohletagebau Garzweiler
Am frühen Freitagmorgen sind Aktivist:innen auf das Gelände des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler in Nordrhein-Westfalen vorgedrungen. Das Anti-Kohle-Bündnis „Einsatz Kohlestopp“ will damit einer Mitteilung zufolge einen sofortigen Kohleausstieg fordern. Nach Angaben einer Sprecherin wollen die Aktivisten auch ein Zeichen gegen das geplante Kohlegesetz der Bundesregierung setzen. Der Polizei zufolge seien Menschen im Laufe der Nacht in den Tagebau eingedrungen und auf insgesamt sechs Bagger geklettert.
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Sprecher:innen von „Einsatz Kohlestopp“, sagten im Livestream von taz-Reporterin Anett Selle, dass bereits in den Nacht rund 80 Menschen in den Tagebau eingestiegen seien. Der Betrieb stehe derzeit still. Die Aktion sei Teil einer Woche des Widerstands. Im Livestream war zu sehen, dass noch einer der Bagger in der Grube offenbar in Betrieb sei.
Für das Wochenende hat das Bündnis Ende Gelände, dass einen sofortigen Ausstieg aus der Kohleverbrennung fordert, deutschlandweit dezentrale Aktionen angekündigt.
Entschädigungen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro
Denn in Berlin und in Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt Düsseldorf verließen sich die Regierungen noch immer allein auf Einschätzungen von RWE und dem Konzern verbundenen Bergbauingenieuren, kritisiert Grothus. Trotz vereinbarter Entschädigungen von 2,7 Milliarden Euro aus Steuermitteln wolle der Stromerzeuger bis zum endgültigen Kohleausstieg 2038 noch 950 Millionen Tonnen Braunkohle verbrennen, rechnet sie vor.
Umweltschützer*innen halten dagegen weniger als 590 Millionen Tonnen für begründbar. „Die Bundesregierung akzeptiert widerspruchslos RWE-Maximalforderungen – und stellt so den mühsam erzielten gesellschaftlichen Minimalkonsens in Frage“, ärgert sich Ex-Kommissionsmitglied Grothus.
Der Erdatmosphäre drohe so eine Mehrbelastung mit klimaschädlichem Kohlendioxid in der Größenordnung von mehreren 100 Millionen Tonnen. Die Demonstrationen richten sich deshalb auch gegen das Kohleausstiegsgesetz, dass der Bundestag in der kommenden Woche beschließen soll.
Denn auf dessen Grundlage bedrohe RWE Dörfer im Tagebau-Vorfeld weiter mit Zerstörung, kritisieren die Umweltschützer*innen. Außerdem wolle RWE weiter Kohle rund um den lange umkämpften Hambacher Wald abbauen. Dem drohe damit eine „Insellage“ – und damit mittelfristig die Vernichtung durch Wassermangel.
Proteste auch gegen Atomsparte
Thema der Proteste wird aber auch die Atomsparte des Konzerns sein. RWE betreibt nicht nur die Atomkraftwerke Lingen in Niedersachsen und Grundremmingen in Bayern – der Konzern hält noch immer ein Sechstel der Anteile an Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage (UAA) im münsterländischen Gronau. Die Anlage, die zehn Prozent des Weltmarkts abdeckt, beliefert auch die maroden belgischen Reaktoren Tihange und Doel.
„Die UAA-Betreiberfirma Urenco wirft jedes Jahr 50 Millionen Euro Gewinn für RWE ab“, kritisiert Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Die dabei jährlich entstehenden 9.000 Tonnen Atommüll würden dagegen billig nach Russland entsorgt.
Vor dem RWE-Unternehmenscampus redet daher auch Alexandra Koroleva von der Umweltorganisation Ecodefense, die seit mehr als zehn Jahren gegen Atommülltransporte des RWE-Beteiligung Urenco kämpft. Ecodefense gilt in Russland als Organisation „ausländischer Agenten“. Koroleva wurde deshalb politisch verfolgt und musste in Deutschland Asyl beantragen.
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