: Gemeinheit und Gefahr
Mithilfe von Handschriftenproben versucht die Sonderkommission Spielplatz jetzt Hinweise auf den Pulverbriefe-Absender zu erhalten
Von Benno Schirrmeister
Mit der Veröffentlichung von Handschriftenproben und dem Bild eines präparierten Cuttermessers hat die Polizei die Öffentlichkeit zu Hinweisen aufgerufen. Die Ermittler*innen hoffen dem Unbekannten näher zu kommen, der seit Januar sein Unwesen treibt, indem er in Bremen, Bremerhaven und Göttingen Briefe mit einem Pulver an Parteibüros und Politiker*innen verschickt und auf Spielplätzen offene Klingen deponiert. Sie erhoffen sich, dass jemand in den Abbildungen eines in Druckbuchstaben per Kugelschreiber verfassten Drohbriefs und von Adressen in Schreibschrift die Handschrift eines Bekannten wiedererkennt.
Die Polizei geht von einem männlichen Täter aus. In insgesamt 34 Fällen hat er Briefe mit einem unbekannten Pulver verschickt, aufgrund derer mehrfach Großeinsätze nötig wurden: Bislang hatte sich die Substanz zwar stets als harmlos erwiesen. Es gibt jedoch zahlreiche Gifte, die in Staubform verschickt werden können. Bekannt wurde diese Form der Bio-Briefbomben als 2001 durch den Versand des Milzbrand-Erregers Anthrax in den USA fünf Menschen getötet wurden. Der mutmaßliche Täter, ein mikrobiologischer Waffenforscher im Dienste der Armee suizidierte, als er 2008 erfuhr, dass gegen ihn ermittelt wurde.
Die Gefahr ist real: Anders als Anthrax-Sporen sind die Grundsubstanzen zahlreicher hochwirksamer biologischer Kampfstoffe im Pflanzenversand online ohne Probleme erhältlich. Während der Vertrieb aus ihnen gewonnener Extrakte unters Kriegswaffenkontrollgesetz fiele, und die UN-Konvention von 1994 zur Ächtung von Chemiewaffen ihren Einsatz in Kriegen verbietet, unterliegt der Saatguthandel keinerlei Beschränkung. Oft genug fehlen Hinweise auf die Toxizität der Kapseln und Schoten sogar völlig. Das Betäubungsmittelgesetz, mit dem in Deutschland sonst gegen schwach-giftige und psychoaktive Pflanzenteile und Pilze vorgegangen wird, greift hier nicht, denn diese Gewächse betäuben nicht. Sie verursachen Organschäden, innere Blutungen und töten.
Die Bremer Sonderkommission Spielplatz reagiert mit ihrer Veröffentlichung auf einen Messerfund auf einem Spielplatz in der Neustadt Anfang des Monats sowie einen Brief, der Anfang des Monats ans Grünen-Parteibüro geschickt worden war. Die Abbildungen der Beweismittel wurden auf presseportal.de online veröffentlicht.
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