: Viele AktivistInnen desillusioniert
Das Tramnetz sollte beschleunigt ausgebaut, mögliche U-Bahn-Verlängerungen auf Eis gelegt werden. Das sah die rot-rot-grüne Koalitionsvereinbarung vor – eigentlich. Denn die Realität sieht anders aus
Von Claudius Prößer
Das Bündnis „Pro Straßenbahn“, an dessen Gründung neben vielen verkehrspolitischen Organisationen auch die LAG Mobilität der Grünen beteiligt war, sah in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom Dezember 2016 die richtige Priorisierung: Das Tramnetz sollte beschleunigt ausgebaut werden, mögliche U-Bahn-Verlängerungen wurden auf Eis gelegt.
Viele AktivistInnen sind mittlerweile desillusioniert. Zwar gab es im Mai den ersten Spatenstich für die neue Straßenbahnstrecke, die den Wissenschaftsstandort Adlershof mit dem S-Bahnhof Schöneweide verknüpft. Mit viel Glück könnte der 2,7 Kilometer lange Abschnitt vor den nächsten Abgeordnetenhauswahlen in Betrieb gehen.
Für die anderen drei weiteren Strecken, für die das angekündigt war, wird die Zeit nicht mehr reichen: die Verlängerung vom Hauptbahnhof zum U-Bahnhof Turmstraße, die Trassenverlegung am Ostkreuz und die neue Strecke durch Mahlsdorf.
Genauso wenig ist absehbar, dass in dem guten verbleibenden Jahr der Legislaturperiode die Planung der folgenden Strecken abgeschlossen und mit dem Bau begonnen wird: Alexanderplatz–Kulturforum, Turmstraße–Mierendorffplatz, Warschauer Straße–Hermannplatz, Verlängerung der M2 ab Heinersdorf, Tangentialstrecke Pankow–Heinersdorf–Weißensee. So steht es aber in der Koalitionsvereinbarung.
Dagegen mehren sich die Signale auf den grünen Leitungsebenen, das Nein zum U-Bahn-Ausbau aufzuweichen – wie es nicht nur die Opposition, sondern auch der Koalitionspartner SPD seit Langem fordert. Wirtschaftssenatorin und BVG-Aufsichtsratschefin Ramona Pop dachte schon im Sommer 2018 laut darüber nach, ein Jahr später beschloss die grüne Partei intern die Evaluierung von Streckenverlängerungen.
Auch wenn die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther kein bekennender U-Bahn-Fan ist, hat ihr Haus im März Studien vorgelegt, die Verlängerungen der U6 zum ehemaligen Flughafen Tegel, der U7 zum neuen Flughafen BER und der U8 ins Märkische Viertel prüft – und als machbar einstuft. Zeitgleich sprach Pop sich in der B.Z. erneut für mehr U-Bahn aus.
Zuletzt war es Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek, die gegenüber der Presse eine Verlängerung der U3 zum Mexikoplatz ins Spiel brachte.
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