heute in bremen: „Die Situation verschärft sich drastisch“
Inse Ewen ist Energieberaterin bei der Verbraucherzentrale Bremen e. V.
Interview Selma Hornbacher-Schönleber
taz: Ist es in Ordnung, viel Ökostrom zu verbrauchen oder muss man nur „dreckigen“ Strom sparen, Frau Ewen?
Inse Ewen: Ökostrom und Stromsparen müssen Hand in Hand gehen! Man sollte bei der Auswahl der Ökostromanbieter sehr sorgfältig vorgehen. Da wird viel Irreführung betrieben: Wenn ein Anbieter ein Zertifikat für Wasserkraft aus Norwegen gekauft hat, kann er seinen Strom Ökostrom nennen. Wir beraten dazu. Nur weil man ein gutes Gewissen hat, heißt das nicht, dass man sich nicht mehr um seinen Stromverbrauch zu kümmern braucht.
Welche Möglichkeiten gibt es, klimafreundlich Strom zu verbrauchen?
Vor allem den eigenen Gerätepark kritisch hinterfragen! Brauche ich wirklich einen Eierkocher? Muss da wirklich ein elektrischer Wecker neben meinem Bett stehen? Müssen meine Geräte ständig auf Stand-by-Modus sein? Die größten Stromfresser in fast allen Haushalten sind die Kühl- und Gefriergeräte, weil die 24 Stunden im Dienst sind. Wir VerbraucherInnen vernachlässigen sie, aber auch ein A+++-Kühlschrank kann zum Stromfresser werden, wenn da eine Wahnsinnsportion an Eisansatz drin ist.
Wie wirkt sich die Covid-19-Pandemie auf den Stromverbrauch aus?
Das wird sich extrem auf den Stromverbrauch auswirken, weil jetzt zum Beispiel der PC acht Stunden am Tag läuft und viele Familien jetzt komplett zu Hause sind.
Die Pandemie verschärft soziale Ungleichheiten. Wie zeigt sich das beim Strom?
Online-Vortrag: „Stromfresser unter Kontrolle“, 18 Uhr, Anmeldung auf www.verbraucherzentrale-bremen.de/veranstaltungen, kostenlos
Es ist so, dass die Energieversorger bis zum 30. 6. 20 von Stromsperren abgesehen haben und auf Wunsch Abschläge reduziert haben. Ab dem 1. 7. werden wieder Stromsperren verhängt. Für die Haushalte, die eh schon Schwierigkeiten haben, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, verschärft sich die Situation drastisch, weil jetzt die Kosten für Miete, Strom, Wasser und Gas alle zusammen fällig werden und möglicherweise auf einen Schlag bezahlt werden müssen.
Halten Sie Stromsperren für sinnvoll?
Überhaupt nicht. Wir sind froh über jeden, der früh zu uns kommt, und nicht erst, wenn die Sperrandrohung auf dem Tisch liegt. Da gibt es einen runden Tisch, an dem wir mit dem Amt für soziale Dienste und der SWB sitzen. Wir können mit der SWB verhandeln, dass Abzahlungen gestaffelt werden oder Betroffene einen Kredit vom Jobcenter aufnehmen. Außerdem bieten wir Energieberatungen an: Wir prüfen, warum der Stromverbrauch so hoch ist wie er ist. Das ist kostenfrei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen