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Coronawelle im TenniszirkusVon der Disco ins Desaster

Zwei Tennisprofis werden bei der Adria Tour positiv getestet. Witze über aberwitzige Hygienekonzepte dürften sich damit erübrigt haben.

Rückschlag: Grigor Dimitrov vor der Covid-19-Diagnose am Ball Foto: reuters

D er deutsche Basketball ist in einer Art Familienurlaub. Wer auf dem Streamingkanal Magenta Sport das Finalturnier um die deutsche Basketballmeisterschaft der Männer verfolgt, der bekommt recht nette Bilder geliefert aus dem Hotel in der Nähe des Münchner Olympiaparks, in dem zu Turnierbeginn die zehn Teams nebst Betreuern, ein paar Funktionären und den Schiedsrichtern eine Art Quarantäne­quartier bezogen haben. Wer spielt gegen wen Billard? Wann haben die Ludwigsburger Riesen die Grill-Terrasse reserviert? Und wie sieht es aus, wenn sich die Schiedsrichter zur Auswertung der ersten Partien treffen?

Dann wird wieder in die Halle geschaltet, in der die Spiele ausgetragen werden. Die darf nur eine Handvoll Menschen betreten und auch das nur, nachdem sie eine Art Humanwaschanlage durchschritten haben, in der die ganzen Kerle mit Desinfektionsmitteln eingenebelt werden.

Das Hygienekonzept ist derart streng, dass man nicht recht damit umzugehen wusste, als sich Dopingkontrolleure der Nada angesagt hatten. Die durften die Spieler am Ende doch zur Abgabe von Urin bewegen, auch wenn sie nicht zur Basketball-Zwangs-WG dieser Tage gehören. Uli Hoeneß, der als Ehrenpräsident des im Viertelfinale gescheiterten FC Bayern zu denen gehört, die die paar Plätze in der Halle betreten dürfen, die für Nicht-WG-Bewohner vorgesehen sind, würde sich freuen, wenn ein paar mehr Zuschauer als nur er alleine zu den letzten Spielen in die Halle dürften.

Warum das für ihn kein Problem wäre? „Der ganze Freistaat Bayern war ja in der Corona­pandemie sowieso Weltklasse.“ Klar. Ob sein Wunsch erfüllt wird, ist ungewiss. Und wenn er erfüllt wird, dann müssten in jedem Fall alle Hallenbesucher durch die Hygienedusche. Hygiene ist das Wort dieser Zeit.

Die Partynacht von Belgrad

Ob das ganze Gewese nicht übertrieben sei, das um die Events der Profisportler getrieben wird, die Frage wurde auch schon in der Fußballblase ventiliert. Ein paar Tausend Zuschauer zum Pokalfinale zwischen Bayer und dem FC Bayern am 4. Juli in Berlin, hätte sich nicht nur Leverkusens Sportchef Rudi Völler gewünscht. Man hat ihm den Wunsch nicht erfüllt. Ob er die Bilder vom Einladungsturnier der Tennisprofis aus Belgrad gesehen hat, die vor einer Woche für Aufsehen gesorgt haben?

Feiernde Zuschauer auf den Rängen waren da zu sehen, knuddelnde Athleten nach den Spielen und eine veritable Party im echten Nachtleben nach dem Finale. Novak Ðjokovioć, die Nummer eins der Welt, hatte als Organisator eine Handvoll Spitzenspieler zur Tour Adria eingeladen und vor lauter Freude über das schöne Event mit nacktem Oberkörper in einem Tanzschuppen seine Bauchmuskulatur zur Musik bewegt.

An der wilden Party nahm neben Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev auch der bulgarische Profi Grigor Dimitrow teil. Der hat nun ein Bild aus dem Krankenlager in die Welt geschickt und mitgeteilt, dass er an Covid-19 erkrankt ist. Am Wochenende hatte er sichtlich angeschlagen auf der zweiten Station des Adria Tour im kroatischen Zadar mit 1:4, 1:4 gegen Borna Ćorić verloren.

Danach wollte er seinem Bezwinger nicht Hand geben, streckte ihm nur die Faust entgegen. Nun hat auch der Kroate mitgeteilt, dass er positiv auf das Coronavirus getestet worden ist. Das Finale von Zadar war da schon abgesagt. Das Turnier, mit dem Novak Ðjokovioć den Tennissport zurück ins Rampenlicht führen wollte, ist in einem Desaster geendet.

Gut möglich, dass sich so schnell niemand mehr lustig macht über die absurd anmutende Hygienekonzepte, mit denen der Profisport ums sein Überleben kämpft. Vielleicht können sie gar nicht ausgeklügelt und absurd genug sein. Beim Basketballturnier in München gibt es Absurditäten genug. So sind die siegreichen Teams für das Waschen der Schiedsrichterkleidung zuständig.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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