Streiks in Spanien: Lidl lahmgelegt
In Spanien standen viele Lidl-Kunden vor geschlossenen Türen. Mitarbeiter protestierten gegen schlechte Corona-Arbeitsbedingungen.
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Wer am Donnerstag in Spanien bei Lidl einkaufen wollte, stand entweder vor verschlossenen Türen oder musste sehr viel Geduld mitbringen. Ein Streik, zu dem die Dienstleistungsgewerkschaft CCOO-Servicios aufgerufen hatte, legte nach Gewerkschaftsangaben die Hälfte der 600 Geschäfte im Land lahm.
Im Rest bedienten der Filialleiter mit ein oder zwei KassiererInnen, die teilweise von Leihfirmen kamen, die Kunden. In den zehn Logistikzentren blieben 80 Prozent der Beschäftigten der Arbeit fern. Insgesamt zählt die deutsche Kette in Spanien 13.500 Mitarbeiter.
„Lidl ist die Supermarktkette, die am meisten gegen Gesundheits- und Hygienevorschriften verstößt“, erklärt CCOO-Servicios Generalsekretär Chema Martínez den Grund für den Streik. Seit Wochen versuchte CCOO, die mit 53 Prozent stärkste Gewerkschaft bei Lidl, sich mit der Geschäftsführung zu einigen. Doch eine Verhandlungsrunde nach der anderen platzte.
„Anfänglich gaben sie uns nur eine Wegwerfmaske alle zwei Wochen“, berichtet Ángel Trujillo, der spanienweite Gewerkschaftsbeauftragte für Lidl. Auch wenn sich dies mittlerweile geändert hat und waschbare Masken sowie Trennscheiben zum Alltag gehören, musste die Belegschaft einen hohen Preis für diese Unternehmenspolitik bezahlen. „Die Hälfte der Mitarbeiter hatte entweder Covid-Symptome oder musste isoliert werden, weil sie mit Kranken im Kontakt waren“, sagt Trujillo. In Madrid, der am meisten vom Virus betroffenen Region, erkrankten 20 Prozent der Belegschaft.
„Sicherheit steht im Vordergrund“
Die spanische Lidl-Zentrale verschickt auf Anfrage nur ein Kommuniqué: „Von Anfang an stand die Sicherheit unserer Kunden und Beschäftigten im Vordergrund“, heißt es darin.
Trujillo, seit 21 Jahren bei Lidl im südspanischen Sevilla, widerspricht: „In den meisten Märkten werden mehr Kunden eingelassen, als in Zeiten des Covid-19-Pandemie erlaubt.“ Das passiere immer dann, wenn zu viele auf der Straße warten. „Schlangen schrecken Kunden ab“, weiß Trujillo.
Außerdem würde das Unternehmen widersprüchlich vorgehen. „Ein Tag schicken sie uns die Anweisung, nichts Unverpacktes auf den Aktionstischen zu verkaufen. Am nächsten Tag kommt Kleidung ohne Verpackung für den Wühltisch“, fügt Trujillo hinzu.
„Die Arbeitsbelastung ist riesig“, kommt Maribel Cadañas, CCOO-Sprecherin in der Region Madrid auf weitere Forderungen zu sprechen. Lidl verkaufe seit Beginn der schrittweisen Öffnung mehr als vor der Krise. Vor allem dank der Aktionen, wie Küchenutensilien, Sommerkleidung etc. Aber die Belegschaft wurde nicht aufgestockt. „Und die Einigung von 150 Prozent Zuschlag pro Überstunde wird vom Unternehmen nicht umgesetzt“, beschwert sich Cadañas, die seit 25 Jahren bei Lidl in Madrid arbeitet.
Weitere Proteste möglich
Für denn Fall, dass die Geschäftsführung nicht an den Verhandlungstisch zurückkehrt, plant CCOO-Servicios weitere Protestaktionen vor den Filialen bis hin zu erneuten Streiks.
Bisher sieht es nicht nach einer schnellen Einigung aus. Lidl setzt auf „Spalte und herrsche“. Im Baskenland einigte sich das Unternehmen mit der dortigen stärksten Gewerkschaft, der nationalistischen ELA, auf ein Maßnahmenpaket, das genau dem entspricht, was der Belegschaft im restlichen Spanien vorenthalten wird.
Und um 23.30 Uhr in der Nacht vor dem Streik versprach Lidl der zweitgrößten Gewerkschaft, der sozialdemokratischen UGT, die gesetzlichen Vorschriften zu akzeptieren. UGT zog daraufhin den Streikaufruf zurück. „Viele UGT-Mitglieder streikten dennoch“, berichtet CCOO-Sprecher Martínez.
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