Renate Krößner ist tot: Is ohne Frühstück
Die Schauspielerin Renate Krößner wurde in der Rolle der „Solo Sunny“ berühmt. Jetzt ist sie im Alter von 75 Jahren gestorben.
Der Typ räkelt sich im Bett, super Nacht mit der Kleenen, kann jetzt noch ein bisschen weitergehen. Aber sie sagt: „Is ohne Frühstück.“ Er beginnt zu mosern, in dieser Art des dandyhaften Draufgängertums, von dem manche Männer glauben, sie doch noch rumzukriegen. Aber Sunny kriegt ist nicht rumzukriegen, sie schnoddert ihm ein „Is auch ohne Diskussion“ hin.
Es ist nur eine kleine Szene, aber ganz großes Kino. Ikonografisches Kino: der Defa-Film „Solo Sunny“ von Konrad Wolf (Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase), 1980 in die DDR-Kinos gekommen. Es ist die Geschichte von Ingrid, „Sunny“, die als Schlagersängerin über die Dörfer tingelt, in der Hoffnung auf die ganz große Karriere. Diese „Sunny“, das ist Renate Krößner, die Rolle hat die damals 35-Jährige berühmt gemacht. Jetzt ist die Schauspielerin im Alter von 75 Jahren gestorben.
Sunny – und damit Renate Krößner – war eine Projektionsfläche für viele junge Frauen im Osten damals: selbstbestimmt, schnoddrig, unangepasst, sehnsüchtig. Sie verliebt sich, verliert sich, will sich umbringen. Sie fliegt aus Kneipen und aus dem Job, erfährt Gewalt und anhängliche Männer. Aber die, die sie wollen, will sie nicht. Die Krößner hat all das gleichermaßen mit einer Leichtigkeit und Lebenswucht gespielt, wie das vielleicht nur wenige können. Der Song, den sie im Film singt, komponiert von Günther Fischer, hat mittlerweile Kultstatus – er gehört zur Krößner-Sunny wie die Spelunken, in denen sie das Lied singt.
Wer mit dem Namen Renate Krößner nicht sofort eine Person verbindet, hat spätestens das Bild der Frau mit den blonden Locken und der paillettenbesetzten Kopfbedeckung vor Augen, sobald man sagt: „Na, die Sunny, die Solo Sunny.“ Für die Rolle bekam Renate Krößner auf der Berlinale 1980 in Westberlin den Silbernen Bären.
Inbegriff weiblicher Unabhängigkeit
Renate Krößner wurde 1945 im Harz geboren, hat an der Berliner Schauspielschule studiert, an verschiedenen Theatern in der kleinen Republik gespielt und früh in Defa-Filmen mitgewirkt, unter anderem an der Seite von Manfred Krug. 1985 reiste sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten und späteren Ehemann Bernd Stegemann aus der DDR aus. Stegemann ist ebenfalls Schauspieler.
Die Krößner und ihre Sunny sind nicht nur der Inbegriff weiblicher Unabhängigkeit und eines kompromisslosen Glücksanspruch, sie sind auch Gesellschaftskritik, wie beiläufig in den Film gepackt: als Momentaufnahmen im Berliner Hinterhof, in dem Sunny wohnt, dem scheinbar flüchtigen Blick auf die baufälligen Mietskasernen in Prenzlauer Berg, auf die abgefuckten Hotels, in denen Sunny und ihre Band unterkommen, auf die Versoffenheit der Männer, die um Sunny kreisen.
Die Sunny war Krößners größte Rolle, im Osten wie im Westen. Alles, was nach der „Sunny“ kam, darunter Rollen im „Tatort“, in der TV-Reihe „Liebling Kreuzberg“ und im „Polizeiruf“, hatte nie die Strahlkraft wie diese verlorene Frau mit dem ausgebremsten Leben in der DDR.
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