piwik no script img

Realistische Malerei von Hans BaluschekBilder wie bei Zola

Seine Aufmerksamkeit galt den Außenseitern: Im Berliner Bröhan-Museum wird der Maler Hans Baluschek zu seinem 150. Geburtstag gewürdigt.

Bei Baluschek hat die Betrachterin manchmal das Gefühl, an der Szene teilzunehmen Foto: dpa

Es gibt Bilder von Hans Baluschek, aus denen könnte man glatt einen Adventskalender basteln. Wie das Licht aus den Fenstern in die Schneenacht scheint, unter Eiszapfen hervorleuchtet und den dunklen Rauch der Lokomotiven durchdringt, die oben auf einem Viadukt und auf den Schienen darunter das Bild „Vor der Stadt“ (1918) durchqueren, das hat bei aller Kälte und bei allem Ruß, der hier reichlich in die Luft gepustet wird, etwas Anheimelndes.

Als könnte man tatsächlich die Fenster der unter das Viadukt geduckten Häuser aufklappen und in die Wohnstuben blicken. Hans Baluschek, Sohn eines Eisenbahningenieurs, hat die Landschaft von Schienen und Schloten, von Kesseln und Signalanlagen oft in der Dämmerung gemalt, mit Aquarellfarben und Ölkreiden, in zarte, grau verschleierte Pastelltöne getaucht.

Ausstellung

Bröhan-Museum, bis 27. September, DI-SO 10-18 Uhr

Es hat etwas Sentimentales, diese frühen Industrie- und Stadtlandschaften zu betrachten, die das Gewaltige der Technik zeigen und sich am Spiel von Dunkelheit und Licht erfreuen. Er habe eine Modelleisenbahn in seinem Atelier gehabt, berichtete ein Besucher des Malers. Vielleicht habe ihn das inspiriert, seine Bilder aus verschiedenen Elementen der Realität wie aus einem Modellbausatz zu bauen, überlegt der Kunsthistoriker Fabian Reifferscheid. Er ist der Kurator der Ausstellung „Zu wenig Parfüm, zu viel Pfütze“, die das Musem Bröhan zum 150. Geburtstag von Hans Baluschek zeigt.

Hans Baluschek wird heute wie Käthe Kollwitz und Heinrich Zille, die ungleich bekannter sind als er, einem Berliner Realismus zugeordnet. Die DDR hielt ihn als Arbeitermaler hoch, das Märkische Museum in Ostberlin sammelte ihn. In Westberlin kauften Karl und Margarete Bröhan, Gründer des gleichnamigen Jugendstilmuseums, Bilder von ihm. Aus beiden Beständen stammt jetzt die Ausstellung hauptsächlich.

Malerischer Spießer

Max Beckmann habe ihn einen „malerischen Spießer“ genannt, erzählt Fabian Reiferscheid. Er hat einen Text, in dem der 50-jährige Maler sich gegen die Kritik an seiner Kunst positionierte, an die Wände der Ausstellung schreiben lassen: „Man hat mir meine Motive vorgeworfen, man klagte mich an, ich verstieße gegen die Gesetze der Schönheit! Man nannte mich trocken, spröde, unmalerisch, einen Registrator, einen Übertreiber und Fälscher.

Der Akademiker konnte mich nicht verknusen, weil ihm meine Malerei zu wild war! Der Impressionist rügte, meine Malerei sei keine Malerei.“ Im weiteren ist er sich der Verachtung der Symbolisten, Expressionisten und Dadaisten sicher; dass er sich so als Außenseiter sah, verwundert, wenn man heute seine Bilder betrachtet. Ihr erzählerischer Gestus zieht in die Kompositionen hinein.

Oft wird man als Betrachter zum Teilnehmer einer Szene, die ungute Gefühle weckt. Baluschek macht den Bildbetrachter selbst zum Teil der Inszenierung, wenn er in „Ein Verbrechen ist geschehen“ (1894) auf einen Hof blicken lässt mit eng zusammenstehenden, erregt redenden Leute, mit Neugierigen, die aus den Fenstern hängen oder über die Mauer des Nachbarhofes schauen.

Oft malte er den Heimweg von Arbeitern, ihren Feierabend, in dunklen, angegrauten Farben, die Gesichter müde und schwer, die Körper ausgesaugt. Zwischen den Männern und Frauen spielende Kinder, Jungens, die an die Mauern kritzeln. Die Szenen sind anekdotisch, erzählerisch, aber lassen dabei auch oft etwas offen, deuten eine Spannung zwischen den Figuren an, für die keine einfache Erklärung zu finden ist.

Politisch aktiv

Baluschek war nicht nur Maler, sondern setzte sich auch politisch und kulturpolitisch in vielen Ämtern ein. Er gehörte zur 1899 gegründeten Berliner Secession, er unterrichtete mit Käthe Kollwitz an der Schule des Vereins der Berlinerer Künstlerinnen. 1920 wurde Baluschek Mitglied der SPD, er war an der Gründung der Volkshochschule Berlin beteiligt, er lieferte Illustrationen für sozialdemokratische Zeitschriften.

Der Bezirk Schöneberg stellte ihm 1928 als Ehrung eine Atelierwohnung in der neuen Wohnanlage „Ceciliengärten“ zur Verfügung. Er mischte mit, setzte sich für Künstler in Not und Frauen in Not ein, bis er 1933 als „marxistisch“ verfemt wurde und die Ehrenwohnung verlassen musste. Er starb 1935.

In vielen Bildern widmete er sich Außenseitern, Obdachlosen, Tippelschicksen, Prostituierten, Drogensüchtigen. Heute macht seine Bilder wieder interessant, dass er oft die Frauen als die Hauptleidtragenden der sozialen Ungerechtigkeit in den Mittelpunkt rückte. Fast immer stehen sie im Vordergrund der Bilder, oft in unbarmherzigen Porträts, während im Hintergrund die Verantwortlichen für ihre Misere oder Ausbeutung szenisch angedeutet sind.

Unter diesen Milieuschilderungen ist ein Zyklus, „Opfer“, von 1906 besonders beeindruckend, große Bilder mit schwarzer Kreide und Kohle gezeichnet. Es ist Nacht oder Winter in den Bildern, eine Lebensmüde beugt sich rückwärts über die Balkonbrüstung, ein ausgerissener Junge muss mit gefesselten Händen einen weiten Weg durch den Schnee laufen, neben einem Uniformierten zu Pferde.

Leiche im Fluss

Eine Leiche, aus dem Fluss gefischt, liegt auf einer Treppe am Wasser; eine junge Frau, Opfer eines Gewaltverbrechens, liegt mit verrenkten Gliedern an einer Böschung. Zu jedem der Blätter kann man sich einen Roman denken, wie von Emile Zola, den Baluschek sehr schätzte, geschrieben.

Diese Papierarbeiten vertragen nicht viel Licht, deshalb werden immer nur drei für ein paar Wochen gezeigt. Aber schon sie lohnen den Weg in die Baluschek-Ausstellung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen