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corona in hamburg„Pflegekräfte brauchen keinen Beifall“

Kundgebungen gegen Pflegenotstand: 17 Uhr an der Endo-Klinik, der Schön Klinik Eilbek, der Asklepios Klinik St. Georg und am UKE. Krach-Aktion: 19 Uhr am heimischen Fenster (kein Klatschen)

Interview Nathalie Haut

taz: Herr Hopfmann, wie können Sie während der Coronapandemie protestieren? Werden nicht alle Hände gebraucht?

Axel Hopfmann: Wir können nur eingeschränkt protestieren, aber das liegt nicht daran, dass alle Hände gebraucht werden. Wir haben ein sehr merkwürdiges Missverhältnis: Auf der einen Seite hat der Senat in einer Allgemeinverfügung zugelassen, dass die Arbeitszeit von Pflegekräften auf zwölf Stunden am Tag erhöht werden darf. Auf der anderen Seite meldet die Schön Klinik Kurzarbeit an. Die Helios Endo-Klinik betreibt ihr Geschäft normal weiter und hat keine Intensivbetten gemeldet, obwohl sie welche haben. Es geht dabei also nicht um Patienten, sondern darum, dass ein Krankenhaus weiter wirtschaftliche Geschäfte macht. Dafür müssen Krankenhäuser auch sparen – und das tun sie vor allem am Personal.

Was ist Ihre wichtigste Forderung?

Wir wollen eine wirksame gesetzliche Vorschrift für die Ausstattung von Krankenhäusern mit Pflegepersonal. Die soll sich nach dem Bedarf richten. Es gibt ja die Pflegepersonaluntergrenzen aus dem Hause Spahn. Die richten sich allerdings nicht nach dem Bedarf an Pflegekräften, sondern nach einer Rangliste der Personalausstattung, die das unterste Viertel der Krankenhäuser, mit dem wenigsten Personal, zum Maßstab gemacht hat.

Warum vier kleine Kundgebungen?

privat

Axel ­Hopfmann64, ist ehemaliger Krankenpfleger und Sprecher des Hamburger Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus.

Das ist die Art des Protestes, die momentan zulässig ist. Wir müssen Abstand wahren und Mundschutz tragen, da kann man keine Großveranstaltung machen. Deshalb machen wir an vier Orten Einzelveranstaltungen mit dem gleichen Inhalt. Wir sind pro Kundgebung auf 50 Teilnehmer begrenzt. Wir werden also nicht mehr als 200. Wenn mehr kommen, müssen wir sie wegschicken.

Nützt die Aufmerksamkeit durch die Coronapandemie Ihrem Anliegen?

Ich wüsste nicht wie. Die Aufmerksamkeit ist ja darauf gerichtet, die Pflegekräfte als Helden zu feiern, durch dieses Klatschen. Dieses Klatschen empfinden Pflegekräfte aber eher als Hohn. Deshalb fordern wir dazu auf, um 19 Uhr Transparente aus dem Fenster zu hängen oder Krach zu schlagen, als Kontrast zum Klatschen. Pflegekräfte brauchen keinen Beifall, sondern vernünftige Personalbemessung. Wir müssen die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass wir hier einen gravierenden Missstand in der Personalausstattung haben. Den hatten wir schon vor der Coronapandemie und werden ihn danach weiterhin haben.

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