Neue Frauenministerin in Chile: Großnichte Pinochets im Kabinett
Diktaturverteidigerin und Großnichte Augusto Pinochets wird neue Frauenministerin in Chile. In den sozialen Netzwerken hagelt es Kritik.
Kaum hatte sich die Nachricht ihrer Ernennung verbreitet, hagelte es in den sozialen Netzen Kritik und Ablehnung. Unter dem Hashtag #NoTenemosMinistra (Wir haben keine Ministerin) kamen innerhalb weniger Stunden über 22.000 Tweets zusammen.
„Als Anhängerin der Pinochet-Diktatur ist sie mit der Verteidigung der Frau unvereinbar. Die Diktatur hat uns 17 Jahre lang vergewaltigt, gefoltert und getötet“, twitterte Fußballnationalspielerin Fernanda Pinilla.
„Ihre Ernennung ist eine Gefahr für das Leben von Frauen, Lesben, Transvestiten, Trans- und Nicht-Binären, eine Provokation für die feministische Bewegung und unser historisches Gedächtnis, und wir werden es nicht dulden, dass jemand, der alles verkörpert, was wir anklagen, an der Spitze dieses Ministeriums steht“, heißt es in einer Erklärung der Coordinadora Feminista 8M, dem breiten Bündnis von sozialen, feministischen und gewerkschaftlichen Organisationen, das am 8. März die Demonstration organisierte, bei der zwei Millionen Frauen auf die Straße gegangen waren.
Nach den Protesten geschwächt, durch Corona gestärkt
Trotzig hielt der Präsident dagegen. „Ich bin sicher, dass sich die neue Ministerin dieser enormen Herausforderung stellen wird“, so Piñera. Und die frisch Gekürte forderte: „Beurteilen Sie mich nach dem, was ich ab heute mache.“ Als Frauen, als Chilenen hätten alle das Recht auf unterschiedliche politische Auffassungen, „aber das heißt nicht, irgendeine Rechtsverletzung oder die Verletzung der Menschenrechte zu rechtfertigen“, sagte sie.
Piñera geht es mit Santelices’ Ernennung um das politische Gleichgewicht seiner Drei-Parteien-Regierungskoalition. Santalices gehört, wie ihre Amtsvorgänger Isabel Plá, der rechtsextremen und pinochetfreundlichen Unabhängigen Demokratischen Union (UDI) an.
Bei der historischen Frauendemonstration war wegen ihres Umgangs mit den Gewaltakten von Polizei und Militärs gerade gegen Frauen während der sozialen Unruhen Plás Rücktritt gefordert worden – nur fünf Tage später ging sie.
Acht Minister*innen musste der ebenfalls schwer angeschlagene Präsident Piñera seither austauschen – die Spitze des Frauenministeriums ließ er 54 Tage unbesetzt. In der Coronapandemie hat Piñera wieder an Zustimmung gewonnen. Jetzt sah er sich offenbar gestärkt genug, eine Person aus der extremen Rechten ins Kabinett zu holen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor