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Die Partei der Enkel altert weiter

Für die Bundestagswahl setzt die SPD auf Altbewährte – gute Listenplätze gehen an die bekannten Kader, junge Sozis drängeln sich erst auf den hinteren Plätzen. Der Generationswechsel verschiebt sich um vier Jahre. JungSPDler kritisieren Parteispitze

„Die SPD schottet sich nach außen ab und ist nicht mehr sensibel für neue Tendenzen“

VON ANNA LEHMANN

Rebellion ist unberechenbar. Mitten in die Geschlossenheit des SPD-Wahlkampfes hinein platzte dieser Tage Juso-Chef Björn Böhning mit dem Vorwurf, die Partei würde den Generationenwechsel erneut verschlafen. Die älteren Platzhirsche seien mit Listenplätzen abgesichert, die jüngeren machten den Wahlkampf, wetterte der Vorsitzende der SPD-Nachwuchstruppe.

Ein Blick in die Kandidaten-Listen der Landesverbände zeigt, wie berechtigt Böhnings Kritik ist: Altgediente, wie Hans Eichel (63), Heidemarie Wieczorek-Zeul (62), Peter Struck (62), dominieren die vorderen Ränge. Erst im letzten Listen-Drittel sinkt der Alterdurchschnitt der Kandidaten beträchtlich. Bedenkt man, dass die SPD, gemäß der derzeitigen Umfragen, etwa ein Drittel ihrer Parlamentssitze einbüßen wird, dann räkelt sich in den erwartbaren 180 Fraktionssesseln der SPD künftig fast nur noch die Generation 50 plus.

„Die Partei verkalkt und kapselt sich ab“, diagnostiziert der Göttinger Parteienforscher, Peter Lösche. Vom Versuch des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, gezielt junge Leute in Spitzenpositionen zu bringen, sei nichts übriggeblieben. Vom Ziel „40 unter 40“, das die Gruppe der jungen Abgeordneten für die nächste Bundestagswahl ausgerufen hatte, ist die Sozialdemokratie weit entfernt. „Wir werden froh sein, wenn wir so um die 30 Leute sind“, sagt die Sprecherin der „youngster“-Gruppe, Sabine Bätzing. Die Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz ist Jahrgang 1975 und hat sich mit einer Kampfkandidatur Platz 10 auf der Landesliste gesichert. Ein wackliger Platz - Bätzing hofft, ein Direktmandat zu erringen.

In Hamburg wirbt Niels Annen um Erststimmen in seinem Wahlkreis. Der einstige Juso-Chef rangiert auf Platz 8 der Landesliste, ein symbolischer Rang. Sechs SPD-Abgeordnete kamen in der letzten Legislaturperiode aus Hamburg, alle über Direktmandate. „Klar, es ist ein offenes Geheimnis, das die Partei mehr Junge braucht“, meint Annen. Aber die Situation im Wahlkampf sei eben schwierig: „Die Zeit ist kurz, da haben viele eben gesagt, wir setzen auf Bewährtes.“

SPD-Kenner Lösche lässt das nicht gelten. „Das kann keine Entschuldigung dafür sein, dass man junge Leute nicht bewusst lanciert hat. Es wäre auch anders gegangen.“ Den Vollblutpolitikern der „Enkel-Generation“ müsste endlich jemand sagen: Macht den Weg frei.

An fähigen junge Leute herrsche kein Mangel, meint der hessische Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe, der auf Platz 14 der Landesliste gleich hinter Noch-Justizministerin Brigitte Zypries rangiert. Raabe kann sich Chancen ausrechnen, 2002 kam noch Platz 18 zum Zug. Dennoch kritisiert der 1968 Geborene die 68er Generation. „Die Parteiführung hat es über Jahre versäumt, junge Leute in verantwortungsvolle Positionen zu bringen.“ Raabe erkennt klare Leitungsschwächen. Betrachte man die Führungsrige – egal ob in Partei, Fraktion oder Regierung, dann seien die Leute wirklich sehr, sehr alt. Eine umsichtige Führung müsse rechtzeitig für Nachwuchs sorgen. „Unter hohen Bäumen wachsen keine Büsche“, drückt es „youngster“-Sprecherin Bätzing prosaisch aus.

Die „Enkel Willy Brandts“ strömten in den 70er Jahren in die Partei – allein 1972 kamen 120.000 Neuzugänge. Im Mai und Juni dieses Jahres verzeichnete die SPD dagegen erstmals nach sieben Jahren wieder Zuwachs – um 5.000 Mitglieder. Gerade die Hälfte der Neuzugänge ist unter 35 Jahre. „Wir sind wenige, die waren viele“, meint Annen.

Die einstigen Übernahmestrategien – quatschen bis die Alten nach Hause gehen und dann Beschlüsse fassen – funktionieren heute nicht. „Wir brauchen eine Doppelstrategie“, sagt Böhning. Die Jungen sollten in ihren Ländern für Ämter kandidieren. Gleichzeitig müssten sie Partei-Posten besetzen.

Die Erneuerung wird erneut verschoben. Eine alternde Partei verliere den Kontakt zu ihren Wählern, urteilt Lösche. „Sie schottet sich nach außen ab, wird selbstgenügsam und ist nicht mehr sensibel für neue Tendenzen.“

Zum Parteitag rechnen viele SPDler mit Verjüngung. „Wenn wir die Wahl mit Pauken und Trompeten verlieren, dann kann man natürlich nicht sagen, personell bleibt alles beim Alten“, probt Raabe den Aufstand. Ein Miniaufstand. Der Parteitag ist im November, zwei Monate nach der Wahl, welche die Alten für vier Jahre absichern wird.

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