: Lauter kleine lautstarke Gruppen
Von Fridays for Future bis Suppkultur, von der jüdischen Gemeinde Bremerhaven bis Lady BitchRay: Die Forderung, die Lindenstraße zu schließen, findet breiten gesellschaftlichen Rückhalt
VonBenno Schirrmeister
Nicht besänftigen lässt sich der Protest gegen die Zentrale Aufnahmestelle Lindenstraße (Zast): Nachdem elf der dort einquartierten Menschen wegen Coronavirus-Erkrankungen in die Klinik verlegt werden mussten, hat ein Bündnis aus Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft mit dem Aufruf „Infektionsschutz für alle“ am Dienstag die Schließung der Unterbringung gefordert.
Zugleich haben 20 Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief an Weser-Kurier und Radio Bremen die Berichterstattung der Bremer Medien über die Proteste kritisiert: „Fassungslos“ mache die Bagatellisierung eines großen Autokorsos vom Zentrum bis nach Bremen Nord am vergangenen Samstag, den die Polizei von 120 auf 40 teilnehmende Fahrzeuge zurückgestutzt hatte. Eine derartige „Nicht-Berichterstattung“ spiele der senatorischen Behörde in die Hände, heißt es. Diese habe „mehrmals die demokratischen Proteste aus und um die Lindenstraße diffamiert“ und „als Aktionen von gesellschaftlich irrelevanten Kleingrüppchen, die angeblich maßlose Forderungen stellen und die Geflüchteten instrumentalisieren“, dargestellt. Dringend geboten wäre aber gewesen, auch „die Geflüchteten selbst zu Wort kommen zu lassen“, so die Forderung der WissenschaftlerInnen an die JournalistInnen.
Von einem bunten gesellschaftlichen Bündnis getragen ist der Aufruf „Infektionsschutz für alle!“. Die Liste der 140 Unterzeichner*innen reicht von der Museumsdirektorin bis zur Köchin, umfasst die Jüdische Gemeinde Bremerhaven und etliche Kulturkneipen. Mit dabei sind das Bündnis Fridays for Future, Künstler*innen wie der Rapper FloMega oder die Wissenschaftlerin und Rapperin Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray, Gewerkschaftssekretäre und Professorinnen und der Sprecher des Kreisverbands Links der Weser der Partei Die Linke, die ja nicht nur mitregiert, sondern mit Gesundheit eines der zuständigen Ressorts in Person von Claudia Bernhard besetzt.
„Für uns ist unbegreiflich, dass die Geflüchteten einer Infektion vermeidbar ausgesetzt werden“, heißt es im Appell. Dass inzwischen 159 der BewohnerInnen infiziert seien, zeige, was den Betroffenen von vornherein klar gewesen sei: „Effektiver Infektionsschutz ist dort nicht möglich, wo sich Dutzende Personen die gleichen Toiletten teilen und in Räumen zusammen schlafen, deren Wände nicht abschließen und deren Fenster nicht öffnen.“ Dringlich werden die politisch Verantwortlichen aufgerufen, „Angebote von leer stehenden Hotels und Pensionen“ in Anspruch zu nehmen.
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