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Eva Oer über Konflikte in Pariser VorortenUngerechtigkeit wird explosiv

Die Sorge wächst, dass die Konflikte in Pariser Vororten sich zu Banlieue-übergreifenden, heftigen sozialen Unruhen auswachsen. Ungerechte Behandlung und Ärger mit der Polizei sind hier zwar nichts Neues, schon ewig beklagen die BewohnerInnen Gewalt bei Kontrollen. Doch nun kommt der Druck der drastischen Ausgangssperren dazu – und die damit einhergehenden heftigen Kontrollen in einem von Misstrauen und Angst geprägten Klima.

Denn noch immer hat Frankreich keinen Weg gefunden, das Vertrauen in die Polizei zu stärken – oder überhaupt erst entstehen zu lassen. Kein Wunder: „In manchen Vierteln verhält sich die Polizei weiterhin wie eine koloniale Reservearmee“, sagte etwa Soziologe Michel Kokoreff der Libération. Diese Kultur, in der Fehlverhalten seitens der Polizei nicht bestraft werde, trete in Zeiten der Ausgangssperre besonders hervor.

Die Ordnungskräfte dürfen nun keinesfalls den Eindruck erwecken, sie würden den gesundheitlichen Ausnahmezustand ausnutzen, in den Vororten strenger zu kontrollieren und grundlos ohnehin schon Benachteiligte zu schikanieren. Ein Vorfall wie in Villeneuve-la-Garenne kann unter diesen Umständen eine Krise auslösen und durch die Infektionsgefahr ein enormes Risiko für alle Seiten bedeuten.

Soziale Unruhen kann sich ein Land besonders dann nicht leisten, wenn es eh schon von einer Pandemie gebeutelt ist. Auch hier sind die Menschen aus der Pariser Banlieue wieder einmal besonders betroffen: Die medizinische Versorgung ist in manchen Vororten desolat.

Für die BewohnerInnen sind die Corona-Maßnahmen zudem schwerer auszuhalten: Armut und schlechtere Lebensbedingungen sorgen hier für hohe Infektionszahlen. Das Départment Seine-Saint-Dénis etwa, von dessen Gemeinde Clichy-sous-Bois die sozialen Unruhen im Jahr 2005 ihren Ausgang nahmen, machte kürzlich mit einer Explosion der Todeszahlen traurige Schlagzeilen. Das sollte Grund genug für Paris sein, den Kampf gegen Ungleichheit und Armut endlich zur Priorität zu machen.

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