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Politische Krise in IsraelRegierungsbildung liegt auf Eis

In Israel stocken die Koalitionsverhandlungen zwischen Likud und Blau-Weiß. Der Grund diesmal: ein Streit um die Ernennung von Richtern.

Benny Gantz (l.) und Benjamin Netanjahu auf einem Werbebanner Foto: Ammar Awad/reuters

Tel Aviv taz | Benny Gantz vom Parteienbündnis Blau-Weiß hat die Koalitionsverhandlungen mit der Likud-Partei des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu vorerst auf Eis gelegt. Hintergrund sind Auseinandersetzungen um die Vorgehensweise zur Ernennung von Richtern am Obersten Gericht.

Obwohl beide bereits eine Einigung gefunden hatten, stellte der Likud den Kompromiss am Montag erneut in Frage und forderte, die Diskussion wieder aufzunehmen. Daraufhin hieß es aus der Blau-Weiß-Verhandlungsdelegation: „Wir werden weder eine Änderung der Funktionsweise der Justiz noch eine Beschädigung der Demokratie zulassen.“

Der Likud soll zuvor ein Vetorecht im Ernennungsausschuss des Parlaments gefordert haben, beziehungsweise dass Entscheidungen in dem Ausschuss nur mit einer Mehrheit von acht von neun Mitgliedern getroffen werden. Blau-Weiß lehnte dies ab.

Hinter dem Streit steht laut der Tageszeitung Ha’aretz, dass der Likud die Ernennung des ehemaligen Staatsanwalts Shai Nitzan zum Richter verhindern will. Nitzan hatte die Voruntersuchungen gegen Netanjahu beaufsichtigt, der wegen Korruption mittlerweile angeklagt ist.

Völlige Ausgangssperre an Pessach

Festsitzen: Im Kampf gegen Corona schränkt Israel die Bewegungsfreiheit zum Pessachfest weiter ein. Bis Freitag dürften Personen ihre Stadtteile und Dörfer nicht verlassen. Mittwochabend herrscht völlige Ausgangssperre.

Fest feiern: Zum Auftakt von Pessach kommen traditionell Familien zusammen. Das Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten.

Fest verriegelt: Freitag hatte die Regierung die ultraorthodoxe Stadt Bnei Brak bei Tel Aviv zum Sperrgebiet erklärt und eine Notverordnung erlassen, wonach Bereiche mit einer hohen An­zahl Infizierter abgeriegelt werden können. (dpa)

Von den Koalitionsverhandlungen zwischen Netanjahu und Gantz drangen nur wenige Informationen nach außen – wohl auch, weil beide in heikler Mission unterwegs waren. Gantz war mit seinem Blau-Weiß-Bündnis bei der Israel-Wahl am 2. März mit dem Versprechen angetreten, Netanjahu abzulösen. Dieser führt seit knapp einem Jahr als Interimsministerpräsident das Land.

Es kam einem politischen Erdbeben gleich, als Gantz am 26. März ankündigte, in Verhandlungen über eine Einheitsregierung mit Netanjahu einzusteigen. Gantz’ frühere Verbündete, Jair Lapid und Moshe Ya’alon, kündigten das Bündnis daraufhin auf.

Netanjahu treibt Annexion voran

Jenseits des Streits über die Ernennung von Richtern stellten sich in erster Linie personelle Fragen bei der Besetzung der Ministerposten sowie die Frage nach einer Annexion von Teilen des besetzten palästinensischen Westjordanlandes. Netanjahu, dem nachgesagt wird, dass er die Annexion zu seinem politischen Erbe machen will, wollte schnelle Sache machen und das Jordantal sowie andere Teile des Westjordanlands annektieren.

Blau-Weiß dagegen hatte ursprünglich darauf beharrt, diesen Schritt nicht unilateral zu gehen. Am Montag kam es zwischen den Parteien dann aber offenbar zu einer Einigung: Netanjahu könne in diesem Sommer die Annexion der Siedlungen im Westjordanland sowie des Jordantals zur Abstimmung bringen – allerdings unter der Bedingung, dass die USA den Schritt unterstützen und dass er in Abstimmung mit anderen internationalen Akteuren erfolgt.

Am kommenden Montag läuft Gantz’ Mandat zur Regierungsbildung aus. Israels Präsident Reuven Rivlin hat die Möglichkeit, es um zwei Wochen zu verlängern. Er kann aber auch Netanjahu beauftragen. Gantz hätte inmitten der Scherben seines Mitte-links-Lagers das letzte Ass im Ärmel verspielt.

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