Anklage gegen Ex-Bezirkschef Rösler: Rollende Freikarten
Die Staatsanwaltschaft erhebt in der Affäre um das Rolling Stones-Konzert im Hamburger Stadtpark Anklage gegen Ex-Bezirkschef Harald Rösler.
Seit November 2017, zwei Monate nach dem Mega-Konzert, hat die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Verantwortliche des Bezirksamtes, das das Konzert genehmigt hatte, sowie gegen die FKP-Scorpio-Führung ermittelt. Im Fokus der Recherchen stand der inzwischen pensionierte Rösler (70). Er ist nun angeklagt wegen Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung und Bestechung in Tateinheit mit dem Verleiten eines Untergebenen zu einer Straftat sowie Untreue in einem besonders schweren Fall.
Rösler soll von der FKP Scorpio ein Gesamtkontingent von 300 „Kaufkarten“ und 100 Freikarten für das Bezirksamt Hamburg-Nord verlangt haben. Im Gegenzug soll Rösler den Vertrag mit Scorpio für den Stadtpark gegen ein Nutzungsentgelt von insgesamt 205.000 Euro unterzeichnet haben, obwohl er wusste, dass er nach der einschlägigen Gebührenordnung eine Gebühr in Höhe von mindestens 600.000 Euro hätte ansetzen müssen. So entstand der Stadt Hamburg nach Auffassung der Ermittler ein Einnahmeverlust in Höhe von mehr als 400.000 Euro.
Sodann soll Rösler verschiedenen „Freunden des Hauses“ und AmtsmitarbeiterInnen Kauf- und Freikarten angeboten haben, die Konzertpromoter Scorpio vereinbarungsgemäß bereitstellte. Das Konzert im September 2017 war schnell ausverkauft, Karten zeitweise schwer zu erhalten. Bezirksamtsleiter Rösler und seine Frau erhielten außerdem VIP-Karten. Scorpio-Chef Koopmanns und seinem Mitarbeiter werden nun gemeinschaftliche Bestechung in zwei Fällen vorgeworfen.
Verfahren ist noch nicht terminiert
Für die Prüfung der Anklage und die Prozesseröffnung ist nun das Hamburger Landgericht zuständig. Das Verfahren gegen die vier Beschuldigten ist deshalb noch nicht terminiert und könnte auch noch ein paar Monate auf sich warten lassen. Es soll vor der Großen Strafkammer 22 des Landgerichts stattfinden, da der Vorwurf der Untreue, der sich aus den zu niedrig veranschlagten Gebühren ergibt, mit einer hohen Strafandrohung versehen ist. Ein Strafverfahren vor einem Amtsgericht kam deshalb für die Staatsanwaltschaft nicht mehr infrage. Insgesamt gab es bei der Freikarten-Affäre um das Stones-Konzert bisher 49 Strafermittlungen gegen 54 Beschuldigte.
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