: Buchladen kämpft weiter
Die Buchhandlung Kisch und Co in der Oranienstraße in Kreuzberg soll im Mai ihre Räume verlassen
Von Peter Nowak
„Drei Jahre sind zwar ein Aufschub, der erst mal etwas Luft zum Atmen lässt, aber mehr als eine Galgenfrist sind die drei Jahre nicht.“ Das sagte Thorsten Willensbrock in einem taz-Gespräch im April 2017. Kurz zuvor hatte der Betreiber des Buchladens Kisch und Co. in der Kreuzberger Oranienstraße erfahren, dass sein Mietvertrag um drei Jahre verlängert wird. Vorausgegangen waren für Willensbrock turbulente Wochen mit Versammlungen und Kiezkundgebungen einer solidarischen Nachbarschaft, die sich für den Erhalt des Buchladens engagierte. Drei Jahre später droht erneut die Verdrängung des Ladens. „Wenn sich die Parteien nicht einigen, endet das Mietverhältnis am 31. Mai 2020 und die Fläche ist nach Maßgabe der Regelungen des Mietvertrages zu räumen und herauszugeben“, schreibt der Rechtsanwalt der Eigentümerfirma Victoria Immo Properties, die ihren Firmensitz in Luxemburg hat. Ende März waren die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung gescheitert. Die Betreiber von Kisch und Co. strebten einen langfristigen Vertrag auf der Basis eines Quadratmetermietpreises für 17,50 Euro an. Zudem wollten sie wegen der Einnahmeausfälle wegen Corona bis September die Räume mietfrei nutzen. Mit dem Argument, dass ein wirtschaftlich geprägtes Unternehmen auf ausreichend Mieterträge achten müssen, wiesen die Eigentümer das Angebot zurück, ohne eigene Mietvorstellungen zu nennen.
Im Gespräch mit der taz verweist Willensbrock auf die Einnahmerückgänge der letzten Jahre. Nicht zuletzt fordert Ora Nostra die Verankerung eines Mietschutzes für GewerbemieterInnen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Verdrängungsdruck, der in Kreuzberg zum Verschwinden vieler MieterInnen und Gewerbetreibenden geführt hat, mache sich auch bei den Umsätzen von Kisch und Co. bemerkbar. Langjährige StammkundInnen fallen weg, und die Beschäftigten der neuen Start-ups kauften nicht im Buchladen.
Doch die alten Solidaritätsnetzwerke sind in Kreuzberg intakt. „Gegen die Verdrängung von Kisch & Co sind wir schon vor drei Jahren aktiv gewesen, und natürlich sind wir auch jetzt wieder mit am Start“, erklärt Philipp Vergin von der Kreuzberger Stadtteilinitiative Bizim Kiez gegenüber der taz. Die Protesteinschränkungen wegen Corona seien allerdings eine Herausforderung. Connie Wagner von Ora Nostra, einer Initiative von Gewerbetreibenden der Oranienstraße, befürchtet, dass eine Firma mit Sitz in Luxemburg wenig druckempfindlich ist. Doch neue Solidaritätsaktionen laufen an. Neben den Recherchen über die Verflechtungen der EigentümerInnen ist eine Postkarten- und Mailaktion für den Verbleib von Kisch und Co. in Vorbereitung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen