piwik no script img

SPD will späteren SchulbeginnAlles andere als verpennt

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

In Friedrichshain-Kreuzberg will die SPD-Fraktion die Meinung der Schulen zu einem späteren Schulbeginn am Morgen einholen. Zeit wird's!

Na gut, elf Uhr wäre vielleicht doch ein wenig spät für die erste Schulstunde Foto: picture alliance/Patrick Pleul/zb/dpa

F ür die meisten Kinder in Berlin beginnt der Tag früh: Zwischen 7.45 Uhr und 8 Uhr beginnt an den meisten Schulen die erste Stunde. Wenn ein Kind Förderunterricht hat, noch früher. Nullte Stunde nennt sich das dann. Das klingt in der Tat geradezu unfreundlich früh, eher nach später Traumphase als erster Unterrichtslektion am Tag.

Insofern ist der Antrag, den die SPD-Fraktion Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwochabend auf der Bezirksverordnetenversammlung einbrachte, alles andere als verschlafen. Das Bezirksamt, heißt es da, möge „in der Friedrichshain-Kreuzberger Schullandschaft die Bereitschaft abfragen, modellhaft den Schulbeginn auf einen späteren Zeitpunkt anzusetzen.“

Laut Berliner Schulgesetz können die Schulen frei entscheiden, wann sie morgens anfangen wollen – beziehungsweise die Schulkonferenz, ein Gremium aus LehrerInnen, Schulleitung, SchülerInnen, Eltern, diskutiert das aus.

„Verweichlichung!“, mögen da jetzt einige sogleich schreien. Typisch links-grün versifftes Kreuzberg, kommen alle morgens nicht auf dem Bett, diese Ökos. Und die ganz praktischen Argumente gegen den späten Schulbeginn sind die: Ein langer Schultag am Nachmittag ist ungünstig, wenn das Kind um halb vier auch noch zum Fußball oder zum Gitarrenunterricht muss.

Die Sache mit dem Mittagessen

Die (Grund-)Schulen wiederum müssten überlegen, wie sie die Sache mit dem Mittagessen lösen wollen – momentan tischen viele schon um halb zwölf für den ersten Durchgang auf, damit man alle SchülerInnen bis zum frühen Nachmittag durch die vielerorts zu knapp bemessenen Mensen geschleust hat.

Trotzdem: Es wäre schön, wenn der Antrag nicht gleich abgetan werden würde – und immerhin hat die BVV ihn Mittwochabend auch zur Beratung in den Schulausschuss überwiesen. Dort könnte man sich nun zum Beispiel damit beschäftigen, was SchlafforscherInnen zu dem Thema sagen, nämlich dass gerade Teenager von einem späteren Start am Morgen profitieren. In Seattle hat man vor einigen Jahren den Schulbeginn von 7.50 Uhr auf 8.45 Uhr verschoben – die Begleitstudie ergab: Mit Erfolg, die Kinder gingen deshalb nicht später zu Bett, waren fitter und also potenziell konzentrierter bei der Sache. Seattle mag fern sein, der Biorhythmus der Teenager weltweit aber nicht allzu verschieden.

Gerade Teenager profitieren von einem späteren Schulbeginn, sagen SchlafforscherInnen

Außerdem ist da noch ein ganz anderer, ein sozialer Aspekt: Verschiebt sich der Schultag in den Nachmittag, müssten viele Schulen nochmal über eine ganz andere Rhythmisierung von Unterricht und Freizeit nachdenken. Das wäre dann das Modell Ganztagsschule. Es ist in punkto Teilhabe nicht das schlechteste Modell: Im Musik- und Sportverein muss ein Kind nachmittags auch erstmal ankommen. In der Schule wäre es ohnehin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Hm. Schulpflicht könnte man ja als Zwang gegen die Kinderrechte eintüten. Also nicht nur friday sondern every day for holiday. Beschulung als Repression usw., als ganz schlimm darstellen: Die armen Kinder müssen reaktionäres Gedankengut usw, etc pp. Und irgenwann haben wir das durch, daß sie nicht mehr hinmüssen, yeah, alle freuen sich. Und dann zehn oder zwanzig Jahre später finden wir einen tollen Namen. Nicht Bayby-Boomer, sondern Blödkopp-Doomer, Bye-bye-Blödel. Was passiert? Ist jeder Zwang schlecht?

    • @Thomas Schöffel:

      Kindern 10 Jahren lang vorzuschreiben, wo sie wann zu sein haben - vergleichbares gibt es nur im Strafvollzug. Aber was haben unsere Kinder falsch gemacht?

      Warum eine Schulhausanwesenheitspflicht? Eine Bildungspflicht wie in Österreich z.B. wäre sinnvoller und zielführender.