Kommentar von Dominika Vetter über unpolitische Jugendarbeit: Entpolitisierung führt zu Entdemokratisierung
Politische Bildung in der Jugendarbeit ist gesetzlich im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert und – darüber hinaus eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Diesen gesellschaftlichen Konsens stellt die CDU-Fraktion Pinneberg diese Woche mit einer Änderung der Nutzungsordnung eines Jugendzentrums in Frage, indem sie „politische Nutzungen“ untersagt. Damit zielt die CDU auf eine Entpolitisierung der Freizeit ab.
Jugendzentren sind in erster Linie Freizeittreffpunkte und gleichzeitig wichtiger Ort für die demokratische Bildungsarbeit. Betroffen von der Neuregelung in Pinneberg ist das Antifa-Café, das sich dort im Geschwister-Scholl-Haus nun möglicherweise nicht mehr treffen kann. Statt Jugendliche dazu zu zwingen, dass sie sich entpolitisieren, sollte die CDU ihnen lieber dankbar sein, dass sie sich in ihrer Freizeit politisch bilden und deswegen eins ganz sicher können: zwischen links und rechts unterscheiden.
Die CDU versucht es zu verharmlosen: In der Nutzungsordnung wird lediglich das Wort „parteipolitisch“ durch „politisch“ ersetzt. Aber tatsächlich werden damit die Grenzen dessen verschoben, was an zivilgesellschaftlichen Tätigkeiten von staatlicher Seite gewünscht ist. Es erinnert an die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins Attac: Auch hier ging es darum, wie viel politische Arbeit in einer Vereinigung stattfinden darf, in der sich viele Menschen in ihrer Freizeit engagieren. In beiden Fällen wird politisches Engagement in Frage gestellt und erschwert.
Sowohl Attac als auch Antifagruppen beziehen Standpunkte, die essentiell demokratisch sind: Die einen leisten Widerstand gegen rechte Tendenzen. Die anderen stellen sich den negativen Folgen der Globalisierung im Finanzsektor entgegen: Ein Bereich der undemokratischer kaum sein könnte. Eine Entpolitisierung dieses Engagements bedeutet auch eine gesellschaftliche Entdemokratisierung.
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