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Feuerkatastrophe in AustralienWeltrekord beim Waldbrand

Ein Fünftel der Bäume sind inzwischen verbrannt, zeigen Studien. Kein Land weltweit hat solche Schäden. Und es brennt immer weiter.

Roter Himmel über dem Namadgi-Nationalpark Foto: Chu Chen/dpa

Berlin taz | Die Waldbrände in Australien, die seit September 2019 insgesamt 60.000 Quadratkilometer Fläche vernichtet haben, wurden von Medien und Politik oft als „beispiellos“ beschrieben. Für diese Behauptung gibt es jetzt auch einen wissenschaftlichen Beleg: Noch nie wurde seit Beginn der Aufzeichnungen irgendwo auf der Welt ein so großer Anteil eines Waldökosystems durch eine Feuerkatastrophe vernichtet, heißt es in einer Studiensammlung, die jetzt in der Zeitschrift Nature Climate Change erschienen ist.

Die Feuer, die immer noch brennen, haben demnach Wälder und Tierarten in bislang unbekanntem Ausmaß beschädigt. „Die Waldbrände 2019/2020 haben einen global noch nie erlebten Anteil von kontinentalen Waldbiomen verbrannt“, schreibt ein Forscherteam um Matthias Boer von der Western Sydney University.

Die Zahlen unterschätzen die realen Verluste

21 Prozent des australischen gemäßigten Mischwaldes seien bisher vernichtet worden. Der jährliche Verlust bei anderen Forst-Ökosystemen liege unter 5 Prozent, nur im asiatischen und afrikanischen tropischen und suptropischen Wald komme es zu Verlusten von 8 bis 9 Prozent.

Und die 21 Prozent unterschätzten noch die Verluste, heißt es weiter. Denn sie beinhalten nicht die verbrannten Wälder in Tasmanien und die Gegenden, die jetzt immer noch in Flammen stehen.

Seit September 2019 hat Australien nach einer dreijährigen Dürreperiode riesige Wald- und Buschbrände erlebt, eine „Naturkatastrophe von atemberaubenden Ausmaß“, wie es andere Experten in der Sonderausgabe nennen: Mindestens 33 Tote, über 3.000 zerstörte Häuser, Hunderte von Millionen getöteter Tiere und 350 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich, zwei Drittel des jährlichen Ausstoßes an Klimagasen.

Ende Januar hat das australische Umweltministerium eine Liste von 115 Tier- und Pflanzenarten veröffentlicht, die durch die Feuer ihre Lebensräume zu 50 bis 80 Prozent verloren haben und daher als stark gefährdet gelten. Zu den am meisten bedrohten Arten gehört eine Beutelmaus von der Küste von Kangaroo Island, eine Spinnenart und viele seltene Pflanzen, deren Ökosysteme verbrannt sind.

Brände gehen weiter

Die Forscher ziehen in ihren Untersuchungen eine klare Verbindung zwischen den Feuern und dem Klimawandel: „Es gibt keinen Zweifel, dass die Rekordtemperaturen des letzten Jahres ohne menschlichen Einfluss nicht möglich gewesen wären“, schreiben Benjamin Sanderson und Rosie Fisher von den Forschungseinrichtungen Cerfacs in Toulouse und NCAR in Boulder.

Wenn die CO2-Emissionen weiter anstiegen, „wäre ein solches Jahr 2040 der Durchschnitt und 2060 außergewöhnlich kühl.“ Sie warnen, dass die bisherigen Klimamodelle die Auswirkungen auf Australien unterschätzen könnten: „Weiter steigende Emissionen werden uns in einen zunehmend unvorhersagbaren Klimaraum bringen, wo die Folgen extremer sein könnten als vorhergesagt.“

Mit welcher Wahrscheinlichkeit genau der Klimawandel zu den Hitzewellen und Waldbränden in Australien beigetragen hat, ist derzeit noch umstritten. Nächste Woche will eine Gruppe von europäischen Expertinnen und Experten eine Analyse dieser „Zuordnungswissenschaften“ vorstellen.

In Australien geht die Brandkatastrophe derzeit immer noch weiter. Die Feuersaison dauert weiter an. Auf der Website MyFireWatch der Regierung lassen sich per Satellitenbilder die aktuellen Hotspots erkennen. Allein für die am meisten betroffenen Bundesstaaten New South Wales und Victoria im Südosten des Landes erscheinen darauf etwa 50 aktuelle Brandherde.

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8 Kommentare

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  • In den sozialen Medien tauchte vor kurzem ein ziemlich spöttisches Video auf, dass genau das Thema hier behandelte. Die aktuelle Regierung ist bei vielen ziemlich unbeliebt, auch weil sie einen sehr wirtschaftsfreundlichen Kurs beschreitet. Laut dem Video ist der aktuelle Credo der Regierung auf all die Schäden und Toten: "F***ing deal with!" = "Jammert nicht ihr Luschen!". Während man gleichzeitig (auf pro-Kopf-Erzeugung umgerechnet) der weltweit größte Kohle-Exporteur ist, die die Klimaerwärmung weiter antreiben. Es gab schon vor mehreren Jahrzehnten die berechtigte Kritik, warum Australien, obgleich extrem trockener Wüstenkontinent, immer noch eine nach den englischen Erstsiedlern orientierte Viehwirtschaft und Be/Entwaldungspolitik betreibt. Solange sich da nichts ändert, kriegen die ihr Fett (Brände) eben immer weiter ab.

  • Gern wird das Wort "Klimawandel" benutzt, um die Aufmerksamkeit von bestimmten Verantwortlichen abzulenken. So ist ein Großteil des australischen Feuerdesasters dem Missmanagement des Großen Artesischen Beckens zu verdanken, das seit Jahren von Fracking Companies angezapft wird in Mengen, die jede natürliche Regeneration überschreiten.

  • Wann hört ihr bei der taz auf, vom KlimaWANDEL zu schreiben? Ist überholt.



    Als Anregung gedacht, danke.



    www.theguardian.co...limate-environment

    • @nelly_m:

      Das am besten passende Wort ist vom Kontext abhaengig.



      'Klimawandel' ist nach wie vor korrekt, wenn es um die durch Treibhausgase verursachten Veränderungen in der Atmosphäre und die daraus resultierenden Veränderungen des Klimas geht, also um die physikalisch-chemischen Veränderungen. Man kann hier durch die Voranstellung entsprechender Adjektive wie 'sich verstärkender' die Staerke des Effekts zum Ausdruck bringen.



      Wenn es im Kontext dagegen um die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf verschiedene Ökosysteme und damit auch auf den Menschen geht, dann sind sicherlich die im Guardina genannten Begriffe 'Klimanotfall (climate emergency)' und 'Klimakrise (climate crisis)' inzwischen adäquat, da sie etwas über die Stärke der Auswirkungen aussagen.



      Es kann auch durchaus angebracht sein in einem Bericht sowohl Klimawandel als auch Klimakrise zu verwenden, würde ich im obigen Bericht für durchaus sinnvoll halten.

      • @Ressourci:

        Ja da kann ich zustimmen, danke für die differenzierte Betrachtung.

  • Katastrophal. Ich bin froh, dass ich das Land noch vor vielen Jahren kennenlernen konnte. Das wird sich auch irgendwann wieder erholen - hat es schon oft in der langen Vergangenheit. Aber dummerweise wohnen mittlerweile viele Menschen dort und die Tierwelt war ohnehin schon z.T. bedroht.

    Und das wird nicht der letzte Grossbrand bleiben. Nicht mehr lange, und die Tundren werden völlig unbeherrschbar brennen.



    Vielleicht haben wir dann ironischerweise so viel Rauch in der Luft dass die Temperaturen ungünstig sinken. Es wird auf jeden Fall sehr turbulent und das ist für unsere Landwirtschaft sehr übel.

  • Der Kern, um den sich bei der Feuerausbreitung alles dreht, – auch in der europäischen Eukalyptuswirtschaft – ist das Liegenlassen der abgerebelten Äste und des Blattwerks bei der Ernte. Mitgenommen werden nur die Stämme, das ganze übrige „Gerümpel“ bleibt, oft über 10 Jahre bis zur nächsten Ernte, am Boden liegen. Dort kompostiert es wegen der Trockenheit nicht, sondern dörrt nur aus. Die hoch brennbaren ätherischen Öle bleiben dabei großenteils im Material. Nach 2-3 Jahren Wind und Sonnentrocknung bedeckt den Boden ein höchst entflammbares Zundermaterial, das – einmal in Brand geraten und angefacht – nicht mehr zu löschen ist.

    • @Vordenker112:

      Ich dachte, dass zur Pellets- und Spanplattenproduktion mittlerweile alles mitgenommen wird. Hier bleibt jedenfalls nix liegen.

      In Australien gibt es grosse Wirtschaftswälder, ja, aber da bleibt aufgrund des natürlichen Wachstums, Blätterabwurf, Rinden usw. vermutlich mehr liegen als bei einer Ernte alle 20-30 Jahre.



      Da haben auch Wälder gebrannt (und brennen) die gar nicht bewirtschaftet werden.



      Den kontrollierten Abbrand können Sie vergessen in besiedelten Gegenden...und in den Bereichen IST alles irgendwie besiedelt.