Konzeptkünstlerinnen der 1. Generation: Qualifikation nicht nett
Gesellschaftskritik der 1970er Jahre, wie sie aktueller nicht sein könnte: Das Düsseldorfer K21 würdigt frühe Pionierinnen der Konzeptkunst.
Im Kulturbetrieb ist an der Geschlechterfront derzeit einiges in Bewegung: Beim Berliner Theatertreffen werden im Mai erstmals mehr Regisseurinnen als Regisseure mit ihren Arbeiten präsentiert, wenn auch (noch) dank der Quote, die sich das Festival selbst auferlegt hat.
Und bei den Grammy Awards räumten mit der 18-jährigen Newcomerin Billie Eilish und der R&B-Musikerin Lizzo zwei Künstlerinnen ab, die in keiner Weise den gängigen Schönheitsidealen weiblicher Pop-Stars entsprechen und die jede auf ihre Weise entschlossen gegen Optimierungswahn und Bodyshaming kämpfen.
Die grünhaarige Eilish trat zudem bei der Oscar-Verleihung im Dolby Theatre in Los Angeles auf und hat nun auch noch den neuen James-Bond-Titelsong eingespielt, was bisher lang gedienten Pop-Ikonen auf dem Höhepunkt ihrer Karriere vorbehalten war.
Sicher hat die von der Film-Branche ausgehende #MeToo-Debatte dazu beigetragen, dass im Kulturbetrieb der Kampf um Gleichberechtigung heute offensiver ausgetragen wird als noch vor wenigen Jahren.
„I’m Not a Nice Girl!“ im K21, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf, geht bis 17. Mai.
Im Kosmos der bildenden Kunst herrscht jedoch noch immer gewaltiger Nachholbedarf, denn er wird nach wie vor von alten weißen Männern dominiert. Schon allein deshalb, weil weibliche Künstler auf dem Kunstmarkt, in den Museen und an den Schalthebeln des Betriebs immer noch stark unterrepräsentiert und schlechter bezahlt sind.
In erstaunlich radikaler Weise
Aber auch, weil durch die Marginalisierung weiblicher Kunst selbst noch in der jüngeren Vergangenheit viele brisante Themen und Diskurse tatsächlich systematisch unterdrückt wurden. Was in der zwar kleinen, aber feinen Ausstellung „I’m not a nice girl!“ im Düsseldorfer K21 auf erhellende Weise exemplarisch vorgeführt wird. Die Schau ist nichts für Kulinariker, denn sie bietet mehr Lesestoff als Bilderfutter, aber die Einsichten, die sie vermittelt, öffnen die Augen für die Mechanismen des Kunstbetriebs.
In den Räumen der Beletage und im Archiv Dorothee und Konrad Fischer im Düsseldorfer K21 werden vier Konzeptkünstlerinnen der ersten Generation vorgestellt, die sich mit ihrem Werk bereits in den 1970er Jahren in erstaunlich radikaler Weise mit allen ästhetischen, sozial- und gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzten, die im aktuellen Diskurs allgegenwärtig sind: von der Institutionskritik über Rassismus, Fragen der Identitäts- und Genderpolitik bis hin zu ökologisch aktivistischen Fragen.
Die Initialzündung zu der Ausstellung, die Arbeiten von Eleanor Antin, Lee Lozano, Adrian Piper und Mierle Laderman Ukeles präsentiert, ging für die Kuratorin Isabelle Malz von den Beständen des Archivs Dorothee und Konrad Fischer aus, das die Kunstsammlung 2016 erworben hat.
In der Korrespondenz des legendären Düsseldorfer Galeristen, der die amerikanische Konzeptkunst nach Deutschland holte, fanden sich Briefwechsel mit den Künstlerinnen und der Kuratorin Lucy Lippard, die dem Galeristen auf seine Aufforderung hin Vorschläge für Ausstellungen und Ankäufe unterbreiteten. Doch die Angebote der Künstlerinnen und der Kuratorin versickerten, man kam nicht miteinander ins Geschäft, Fischer bevorzugte die männlichen Künstler.
Der Titel der Ausstellung „I’m not a nice girl!“ verdankt sich einer Episode, die ein bezeichnendes Licht wirft auf die gönnerhafte Haltung männlicher Kunstmacher gegenüber weiblicher Kunst. Bereits in den 1960er Jahren traf Lee Lozano auf den Kurator und Netzwerker Kasper König, der ihr applaudierte: „Sie sind eine gute Malerin und ein nettes Mädchen“, woraufhin Lozano genervt entgegnete: „In beiden Fällen liegen sie falsch. Ich bin eine sehr gute Malerin und kein nettes Mädchen!“
Als Ignorant weiblicher Kunst überführt
Auch der Documenta-Kurator Harald Szeemann wird als Ignorant weiblicher Kunst überführt, denn in der Ausstellung ist ein Brief der Kuratorin Lucy Lippard an Szeemann zu sehen, in dem sie ihm androht, ihre spontane Reaktion wäre „wahrscheinlich ziemlich blutrünstig “, sollte er jemals wieder einen Rat von ihr einholen wollen. Szeemann hatte von Lippard eine Liste von Künstlerinnen zusammenstellen lassen, sich aber dann nicht aufgerafft, wenigstens einmal die Ateliers der Frauen zu besuchen.
Derartige Archiv-Funde mixt die Ausstellung virtuos mit Werken der vier Konzeptkünstlerinnen, von denen die radikalste sicher Lee Lozano war. Sie begann zunächst als Malerin, gab die Malerei aber infolge ihres umfassenden Revolutionsgedankens auf, boykottierte mit ihrem performativ angelegten „General Strike Piece“ 1969 die New Yorker Kunstszene, stieg später mit dem „Dropout Piece“ ganz aus dem Kunstsystem aus und entschied schließlich 1971, auch Frauen zu boykottieren.
Eleonor Antin stellte ins Zentrum ihrer zwischen Konzeptkunst, Performance, Film, Theater und Fotografie oszillierenden Kunst häufig den eigenen Körper. Wie etwa in der ausgestellten Fotoreihe „Carving. A Traditional Sculpture“ von 1972, in der die Künstlerin während einer strikten Diät jeden Morgen ihren nackten Körper von vier Seiten fotografierte und so den Gewichtsverlust hin zur so genannten „Idealfigur“ dokumentierte.
Auch von der Philosophin und Künstlerin Adrian Piper sind Fotografien ihrer Performances auf den Straßen und in den Bussen New Yorks zu sehen, sowie ein Video ihrer Rassismus-kritischen „Funk Lessons“.
Die tägliche Hausarbeit wird zur Performance
Radikal in ganz anderer Hinsicht ist auch der Ansatz der „Maintenance Art“-Künstlerin Mierle Laderman Ukeles, die mit dem Schlachtruf „Meine Arbeit wird mein Werk sein“ beschloss, ihre tägliche Hausarbeit zu „performen“. Diese Alltags-Performances waren eine Reaktion darauf, dass man der gerade Mutter gewordenen Künstlerin empfohlen hatte, sich künftig doch besser auf Kind und Küche zu konzentrieren.
Ihre spektakulärste Arbeit als „Instandhaltungskünstlerin“ wurde „Touch Sanitation“ (1977–80), die mit einer Reihe von Fotos dokumentiert ist: Elf Monate lang besuchte Ukeles alle 8.500 Straßenreiniger und Müllmänner Manhattans an ihrem Arbeitsplatz, stellte ihre Arbeitshandlungen nach und dankte ihnen mit den Worten: „Danke, dass Sie New York City am Leben erhalten.“ Initialzündung dieser Arbeit war Ukeles’ lapidare Frage „Wer wird nach der Revolution am Montagmorgen den Müll abholen?“
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