: Bauern verstehen keinen Spaß
Wegen eines Werbeplakats blockieren Landwirte mit Traktoren Lastwagen der Supermarktkette Edeka. Aus der Politik bekommen sie Rückendeckung. Die Werbung sei missverstanden worden, sagt das Unternehmen
Renate Künast, ernährungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion
Von Nele Spandick
„Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten“. Ein Slogan, der vor ein paar Jahren vermutlich einfach untergegangen wäre. Heute kann er dazu führen, dass rund 200 Landwirt:innen mit ihren Traktoren vorfahren und Lieferwege blockieren. So geschehen in der Nacht von Sonntag auf Montag. Edeka Minden-Hannover hatte zum 100. Jubiläum mit Otto Waalkes und diesem Slogan Werbung machen wollen. Essen bezog sich nach eigenen Angaben auf die Stadt Essen/Oldenburg, nicht auf Lebensmittel.
Die Landwirt:innen verstanden das wohl anders. Einer von ihnen ist Felix Müller, zweiter Vorsitzender des Ammerländer Landvolkverbandes. Ihn störe, dass auf der einen Seite Gesellschaft und Politik höhere Anforderungen stellen würden und auf der anderen Seite Preisdruck vom Einzelhandel ausgehe. „Wenn man immer suggeriert, dass Lebensmittel nichts wert sind, suggeriert man auch, dass unsere Arbeit nichts wert ist“, sagt er.
Deswegen habe es ab acht Uhr Absprachen zwischen den Landwirt:innen gegeben, um halb zehn seien die ersten beim Edeka-Lager gewesen. Bis vier Uhr habe kein Edeka-Transporter das Lager verlassen können. Das bestätigt auch die Polizei Bad Zwischenahn, die dort im Einsatz war.
Auf die Argumentation der Demonstrierenden steigt auch die Politik ein. Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Albert Stegemann bezeichnet die Werbung als unmoralisch und fordert eine öffentliche Entschuldigung von Edeka. Die Landwirte hätten Wertschätzung verdient. „Denn sie erzeugen mit harter Arbeit jeden Tag hochwertige, gesunde, vielfältige und sichere Lebensmittel – sie decken unseren Tisch.“
Auch Bundeslandwirtschaftministerin Julia Klöckner (CDU) zeigt Verständnis: „Der Handel beklagt zwar, Verbraucher würden nicht mehr bezahlen wollen, aber er setzt selbst immer mehr Tiefstpreise. Da darf man sich nicht wundern, wenn Verbraucher sich daran gewöhnen.“
Auch von den Grünen kommt Kritik an Edeka. Renate Künast, Sprecherin für Ernährungspolitik der Bundestagsfraktion, twittert: „Diese Kampagne sollte gleich heute beendet werden! Wer heute noch #geizistgeil bedient, hat nix verstanden.“ Jochen Flasbarth, Staatsektretär des Bundesumweltministeriums, kündigt gar an, vorläufig nicht mehr bei Edeka einkaufen zu wollen.
Auch das Unternehmen hat die Kritik inzwischen kommentiert, spricht von einem Missverständnis und betont, dass die niedrigeren Preise nicht zur Lasten der Bauern gehen sollen, sondern von der Großhandlung getragen werden. Die Plakate seien inzwischen entfernt.
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