: „Ich gebe doch nicht auf“
Acht Jahre lang hat Christina Hammer ihren Weltmeistertitel verteidigt. Nach dessen Verlust hat sie Monate pausiert. Nun gibt sie sich zwei Jahre für den nächsten Titel
Interview Juliane Preiß
taz: Frau Hammer, welches Gefühl überwiegt: die Freude über den Sieg über Florence Muthoni oder die Genugtuung, es den Zweiflern gezeigt zu haben?
Christina Hammer: Genugtuung klingt so negativ. Klar wollte ich zeigen, dass ich zurück bin. Aber in erster Linie habe ich mich auf den Kampf konzentriert. Und über den Sieg freue ich mich natürlich. Auch wenn ich nie hundertprozentig zufrieden bin und ich meine Gegnerin gern auf dem Boden gesehen hätte. Aber es war ein gutes Warm-up.
Sie standen zehn Monate nicht im Ring. Wie groß war der Druck?
Die Vorfreude auf den Kampf war stärker als der Druck. Es wurde viel berichtet, das hat mich gefreut. Je mehr Leute interessiert sind, desto besser. Und ich habe den Ring und das Rampenlicht sehr vermisst.
Ihr Kampf fand im Rahmenprogramm vor einem Weltmeisterkampf der Männer statt. Werden Frauenboxkämpfe nicht ausreichend gewürdigt?
In diesem Fall war es okay, da der Kampf für mich eine Art Neustart war. Aber ich finde es generell sehr schade, dass Frauen meist im Vorprogramm boxen. Wir leisten dasselbe wie Männer auch. Wir setzen uns denselben Risiken aus, aber wir werden einfach weniger wahrgenommen. In den USA ist das anders.
In welcher Hinsicht?
Die Aufmerksamkeit in den Medien ist viel stärker, die Leute erkennen einen dort auf der Straße. Man wird als Sportlerin ganz anders respektiert. Das hat mich sehr gefreut. Mein WM-Kampf gegen Claressa Shields im April 2019 wurde in einem der größten Fernsehsender gezeigt.
Den haben Sie verloren, nach 24 Siegen Ihre erste Niederlage.
Das war sehr hart. Ich wollte nicht verlieren, weil ich verlieren hasse. Es war aber einfach nicht mein Tag. Die ersten zwei Wochen danach wollte ich nichts mehr vom Boxen hören. Ich dachte mir, wozu mache ich das überhaupt?
Wie haben Sie sich wieder motiviert?
Ich habe viel Zeit mit meiner Familie und meinem Freund verbracht. Irgendwann dachte ich, ich gebe doch jetzt nicht auf, nur weil ich einmal verloren habe. Ich wollte es den Leuten zeigen, die prophezeit hatten, dass ich aufhöre. Ich habe mich neu sortiert, meinen Trainer gewechselt. Ich brauchte neue Impulse, die kriege ich hier in Hamburg.
Sie gelten als eine der erfolgreichsten Profiboxerinnen – in den Medien tauchen aber eher Ihre „Hammer-Kurven“ als „heißeste Boxerin“ auf. Stört Sie das?
Nein, das gehört für mich dazu. Ich zeige mich gern weiblich, liebe Mode und Make-up, mache Bikinifotos. Ich spiele gern mit diesem Extrem: Hey, ich bin eine Frau und kann trotzdem Männer weghauen. Das eine schließt das andere nicht aus, aber man muss halt die Leute immer und immer wieder darauf stoßen, dass man mehr drauf hat, als nur gut auszusehen.
Christina Hammer, 29, ist in Kasachstan geboren und als Baby mit ihren Eltern nach Nordhessen gezogen. Mit 13 fing sie mit dem Boxen an. Mit 20 wurde sie jüngste WBO-Weltmeisterin, kurz darauf auch bei der WBF. Im April verlor sie beide Titel. Seit einigen Monaten trainiert sie in Hamburg. Hammer hat Sportwissenschaft studiert.
Ihr Kollege Stefan Härtel hat gesagt: „Ich finde es nicht ästhetisch, wenn Frauen sich auf den Kopf hauen.“
Das ist für mich so eine primitive Aussage. Wir ziehen uns ja nicht an den Haaren, sondern boxen. Das ist Technik, Ausdauer, jede Menge Power, ein richtig krasser Sport eben.
Von dem man leben kann?
Schwierig. Vielleicht könnte man davon leben, aber wie gut ist eine andere Frage. Frauen kriegen weniger Gage als Männer, deshalb müssen wir zusätzlich durch andere Jobs Geld verdienen, bei mir sind das Modeling und Werbeverträge.
Der Rückkampf gegen Claressa Shields steht Ihnen vertraglich zu. Wird es dazu kommen?
Ich starte jetzt noch mal voll durch. Mein nächstes Ziel ist der vakante IBO-Titel. Wenn ich den habe, werde ich für die USA auch wieder interessant. Was dann kommt, werden wir sehen. Das sind vielleicht die letzten Jahre, weil ich nicht ewig kämpfen kann und auch nicht will. Ich möchte eine Familie gründen. Aber mindestens zwei Jahre gebe ich mir.
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