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Niederlage für den StaatsschutzZozan G. behält Sorgerecht

Die kurdische Aktivistin Zozan G. behält das Sorgerecht für ihre Kinder. Politische Ideale der Eltern sind kein Grund für staatliches Eingreifen.

Demonstration in Duisburg gegen Erdoğan. Wer daran teilnimmt, riskiert sein Sorgerecht Foto: Christoph Reichwein/imago

Bochum taz | Die kurdische Aktivistin Zozan G. muss nicht länger fürchten, von ihren fünf Kindern getrennt zu werden. „Es gibt keinen Sorgerechtsentzug“, bestätigte die Sprecherin des Amtsgerichts Oberhausen, Christine Wecker, am Mittwoch der taz.

Der Bankkauffrau Zozan G. war vorgeworfen worden, sie stehe der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahe und indoktriniere besonders ihre ältesten, 15 und 13 Jahre alten Töchter Solin und Lorin. Die 44 Jahre alte Deutsche, die als Kleinkind aus dem ostanatolischen Batman in die Bundesrepublik gekommen ist, bestreitet das. In Gang gebracht wurde das Familiengerichtsverfahren vom Staatsschutz, also der für politische Straftaten zuständigen Abteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Auslöser war eine Meldung aus Karlsruhe, nach der die Tochter Lorin während der Schulzeit an einem „Kurdenmarsch“ teilgenommen habe. Dabei soll sie eine Weste mit dem Bild des PKK-Gründers Abdullah Öcalan getragen haben. Der Staatsschutz Düsseldorf legte nach, Lorin habe zusammen mit anderen Aktivist*innen „Hausfriedensbruch“ im Landtag begangen – allerdings war die Gruppe schon an den Sicherheitsschleusen gescheitert. Außerdem habe sie „wahrscheinlich“ noch an einer weiteren prokurdischen Demo teilgenommen.

Das familiengerichtliche Verfahren, in dem Maßnahmen bis hin zur Entziehung des Sorgerechts drohten, hielt der Anwalt von Zozan G., Tim Engels, dennoch für völlig überzogen. Schließlich hatte auch das Oberhausener Jugendamt bestätigt, die Eltern G. kümmerten sich „um die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder gut“. Jurist Engels verwies außerdem auf die gängige Rechtsprechung, wonach dem Staat missfallende „gesellschaftspolitische Ideale“ der Eltern keinen Grund für einen Eingriff in deren „Erziehungsprimat“ darstellen.

Keine familienrechtlichen Auflagen

Entsprechend verzichtete das Gericht am Mittwoch auf familienrechtliche Auflagen. Die getrennt lebenden Eltern G., die sich das Sorgerecht teilen, verpflichteten sich im Gegenzug aber, ihre Kinder von verbotenen „Versammlungen“ fernzuhalten und Schulschwänzerei nicht zu dulden. „Das mache ich sowieso“, sagte Zozan G.: „Ich habe immer dafür gesorgt, dass meine Kinder in der Schule erfolgreich sind.“

Außerdem soll die Kinderschutzambulanz Hagen untersuchen, wie sehr die Kinder unter dem vom Staatsschutz befeuerten Verfahren gelitten haben. Insbesondere ihre jüngsten 3 und 6 Jahre alten Kinder hätten sich so sehr vor dem Verlust der Mutter gefürchtet, dass sie jede Nacht bei ihr im Bett schlafen wollten, sagt Zozan G. Und Lorin fühle sich verfolgt.

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12 Kommentare

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  • Der drakonische Umgang Erdogans mit den Kurden hat leider schon lange auch die EU und insbesondere Deutschland beeinflusst. Kaum eine Gruppe wird in Deutschland so konsequent von politischer Polizei, Staatsschutz, türkischen Geheimdienstlern und Denunzianten beobachtet. Das soll offensichtlich den Eindruck erwecken, dass Kurden ganz besonders gefährlich sind. Das Gegenteil ist der Fall, kurdische Menschen integrieren sich hier völlig unproblematisch und haben durchaus Sinn für Demokratie und demokratische Rechte, die in der Türkei mit Füßen getreten werden.

    Der Fall Zozan G. ist trotz der Gerichtsentscheidung ein Skandal. Dass im Bundestag kaum noch PolitikerInnen vertreten sind, die gegen diese "Spezialbehandlung" der Kurdinnen und Kurden arbeiten, ist besonders beunruhigend.

    • @Rolf B.:

      …anschließe mich.

      unterm—- & darüberhinaus —



      Weiß ich von befreundeten Anwälten.



      Daß sich - ähnlich wie hier über Bande - innerbehördliche Heckenschützen über steinalte Vorgänge via AuslR - under cover ihr mieses - aber exekutiv/pol im mainstream - Süppchen kochen.

      • @Lowandorder:

        Erdogan beschwert sich ja ständig darüber, dass die Kurden in DE Fähnchen von Organisationen oder Personen zeigen, die er als Terroristen bezeichnet. Die EU und DE haben sich seiner Terroristen-"Definition" hinsichtlich der Kurden weitestgehend angeschlossen.



        Rein zufällig lernte ich einen leitenden Beamten der pol. Polizei in einer rheinischen Großstadt kennen. Auf die Kurden angesprochen bestätigte er mir freimütig, dass sie unter "besonderer Beobachtung" stehen.

        Ich denke, dass die Kurden ein international verratenes Volks sind.

    • @Rolf B.:

      Das mit dem Bundestag kann ich nicht ganz glauben.

      Mittlerweile gibt es eine Menge türkischstämmige Abgeordnete, von denen wiederum ein nennenswerter Anteil Kurden sind.



      Ob die sich dafür einsetzen, weiß ich nicht, aber "schlimmer" kann es doch früher wohl kaum gewesen sein.

      Damals (als alles besser war) war die PKK einfach nur kein Thema.

      • @Sonntagssegler:

        Das Thema Kurden war schon aktuell, als damals "alles besser war".

  • Lieber Staatsschutz,

    hättet Ihr nur halb so viel Herzblut in die Überwachung derer gesteckt, die Menschen mit Kopfschüssen wirklich niederstrecken (NSU? Lübcke?), dann würden manche Menschen noch leben.

    Stattdessen piesackt ihr junge Schülerinnen, die auf Demos gehen.

    Gehts noch?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Seien Sie doch nicht so streng. Ein Jeder muss Prioritäten setzen.

      Auch der Staatsschutz tut es.

      Frage: Wer schützt uns vor dem Staatsschutz?

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Gute Frage. Schon damals haben sich die Römer gefragt : Quis custodiet custodes?



        Es gibt leider immer noch Gruppierungen, welche sich nach Feudalismus und Kaiserzeit (von Caesar) Nachsehnen. barbarisch...



        Wahrscheinlich ist es für solche Personen bequemer, die Verantwortung auf die nächste Entscheidungsebene zu schieben..

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Zur Zeit wohl nur das Eiphon. Aber das mag ich auch nicht :-(

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @tomás zerolo:

          Stellen Sie doch einen Mann aus dem frühen analogen Zeitalter nicht vor solche unlösbaren Schwierigkeiten.

          Das Einzige, was ich davon weiß: Es schreibt sich anders. ^^

          • @76530 (Profil gelöscht):

            :-)

            Auch ich bin ein Dinosaurier, der allerdings gelernt hat, mit Digitalem seine Brötchen zu verdienen.

            Meine Lösung? Ich habe gar kein Smartphone. Ich weiss, was in die Wurst reinkommt, ich esse so wenig wie möglich davon.

            Die Schreibweise habe ich übrigens bei "Tom des Tages" geklaut, glaube ich.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Richtig.

    Mein Mitgefühl ist es bei den Kindern und Zozan G.

    Fragen des Kindeswohls fallen nicht in den Aufgabenbereich des 'Staatsschutzes'. Auch für ihn gilt das Motto: "Schuster, bleib bei Deinen Leisten". Insbesondere, wenn diese Leisten dunkelbraun sind.