Das kommt auch: Krankes Haus
Normalerweise geht’s um mehr Geld, wenn Menschen mitten am Tag auf der Straße rhythmische Krawallrufe ausstoßen, statt an ihrem Arbeitsplatz die tägliche Fron abzuleisten. Nicht so im Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH): Die Pflegekräfte in Kiel und Lübeck streiken, weil sie Arbeit abgeben möchten. Sie fordern Hunderte neuer Stellen, um entlastet zu werden. Nun hat die Gewerkschaft Ver.di die Tarifgespräche für gescheitert erklärt und ihre Mitglieder zu einer Urwahl aufgerufen. Sie macht den Weg frei für unbefristete Streiks.
420 neue Pflegekräfte seien notwendig, um Kranke angemessen versorgen zu können: Das hat Ver.di aus Umfragen in den Stationen berechnet. Der UKSH-Vorstand hat 182 neue Stellen angeboten. Sollte Ver.di sich durchsetzen, droht der Vorstand, müssten Betten abgebaut und Stationen geschlossen werden, weil es überall an Personal mangele. Ver.di wiederum wirft der Klinikleitung um Vorstand Jens Scholz einen Kurs der „Desinformationen“ vor. Die Klinik feuert zurück: Ver.di habe die Gespräche vorzeitig abgebrochen. Am Montag soll nun ein „Dialog zur Entlastung der Pflege“ mit Personalräten, Aufsichtsrat und Politik stattfinden.
Das UKSH ist mit über 13.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in Schleswig-Holstein und ein teurer Posten im Landeshaushalt von Schleswig-Holstein. Kein Wunder, denn beim sogenannten Maximalversorger UKSH landen die schwierigsten Fälle, also Schwerstkranke, die besonders langwierige und komplizierte Behandlungen brauchen. Abgerechnet wird aber stets nur eine Pauschale, egal wie lange PatientInnen in der Klinik bleiben – und diese Pauschale fiel über Jahre in Schleswig-Holstein niedriger aus als in anderen Bundesländern. Die Klinik schrieb tiefrote Zahlen, der Spardruck ist groß.
Das Land hat in den vergangenen Jahren in Neubauten investiert. Dank guter Planung und neuer Technik sollte alles besser werden, so das Versprechen. Aus Sicht der Pflegekräfte ist das Gegenteil der Fall: Die Wege seien länger geworden und die Zahl der Betten sei gestiegen, ohne dass mehr Personal angestellt wurde.
Doch selbst wenn es Geld regnen sollte, etwa durch eine Reform der Krankenhausfinanzierung, wie sie Landesgesundheitsminister Heiner Garg (FDP) vorschlägt, fehlt es an Personal. Mittelfristig dürfte der Mangel noch drückender werden. Hilft es, kleine Kliniken zu schließen und Aufgaben und Personal zu zentrieren? Auf solche Fragen muss die Politik jenseits aktueller Streiks Antworten finden.
Esther Geißlinger
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