: Und der Botschafter drohte der Nato
Eigentlich sollte es bei einer Veranstaltung am Donnerstag um den Deutsch-Russischen Frieden gehen
VonSophie Lahusen
„Wenn es zu einem Krieg kommt, wird das der letzte gewesen sein.“ Am Mikrofon steht der russische Generalkonsul Andrei Sharashkin. Mit Verzögerung kommt dieser Satz bei vielen im Publikum an, sie müssen auf die Übersetzung warten. Sharashkin setzt nach. „Und das ist in keiner Weise positiv gemeint.“ Ein Raunen geht an diesem Donnerstagabend durch die Reihen des Publikums im Bremer Gewerkschaftshaus. Selbst sein Übersetzer scheint von der Deutlichkeit seiner Worte überrascht. Eigentlich soll es an diesem Abend doch um den Frieden gehen.
Der Bremer Verein „Deutsch-Russische Friedenstage“ hatte zu einer Vernissage geladen: „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ heißt die Fotoausstellung im Zentrum der Veranstaltung. Auf diese Frage geht auch Generalkonsul Sharashkin ein und beantwortet sie mit einer Gegenfrage: „Meinen Sie, ein Volk, das im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Tote zu vermerken hat, kann einen Krieg wollen?“ Für diesen Satz gibt es aus dem Publikum Beifall.
Immer wieder kommt Sharashkin von der aktuellen Lage auf den Zweiten Weltkrieg. Er wirft der deutschen Regierung vor, „die Geschichte auf den Kopf zu stellen“ und umzuschreiben, wodurch „aus eigentlichen Helden der Roten Armee plötzlich Täter werden“. Es wirkt so, als könne er nicht über den Frieden reden, ohne vom Krieg zu sprechen.
Auch um die Blockade von Leningrad geht es. Von Elena Maslovskaya und ihrem Mann stammen die Fotos der Ausstellung. Ihre Mutter lebte während der Belagerung von 1941 bis 1944 durch deutsche Truppen in der Stadt. Maslovskaya hat Schwierigkeiten, über diesen Teil der Geschichte zu sprechen. Der Schmerz lebe in den jüngeren Generationen weiter, sagt sie.
Ihre Bilder sind zum großen Teil am „Tag des Sieges“, dem 9. Mai entstanden. An diesem Tag hätte ihr Mann, der Deutsche Jörg Munder, fotografiert. Denn sie, erzählt sie, würde zusammen mit einer Million anderer Menschen an den Trauermärschen in St. Petersburg teilnehmen. Wie alle anderen halte sie große Fotos ihrer toten Verwandten hoch. Jedes Jahr gedenke man so den Opfern des „großen vaterländischen Kriegs“. Es sei eine andere Erinnerungskultur als hier, so Maslovskaya.
Der Generalkonsul zitiert seinen Präsidenten Putin, wenn er über die Opfer des Zweiten Weltkriegs spricht: „Die Hunderttausenden russischen Soldaten, die in europäischem Boden begraben liegen, haben nie nach Dank gefragt, es war ihre Pflicht.“ Der Diplomat sagt, dass die Russen die Wahrheit über den Krieg kennen würden. Es sei eine Beleidigung, wenn man in westlichen Medien von den englischen und amerikanischen Befreiern vom Faschismus spreche und die Rote Armee dabei vergesse: „Wer war vor 75 Jahren in Auschwitz und hat die Insassen befreit, wer?“
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