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die dritte meinungDeutschland steckt in der Stickstoff-Falle und muss umsteuern, meint Christoph Heinrich

Christoph Heinrich

ist Naturschutzvorstand

beim World Wildlife Fund (WWF) ­Deutschland.

Während der CO2-Überschuss und die Klimakrise samt ihren Auswirkungen für Umwelt und Mensch in den Köpfen ankommen, ist das Thema reaktiver Stickstoff noch recht unbekannt – das muss sich ändern. Denn wir sind dabei, in den natürlichen Stickstoffkreislauf massiv reaktiven Stickstoff zu pumpen, der in unterschiedlichen Bindungen durch Boden, Luft, Wasser, Pflanzen und Tiere, einschließlich uns Menschen, wandert.

In Deutschland gelangen laut Umweltbundesamt jährlich etwa 4,2 Millionen Tonnen reaktiver Stickstoff neu in den Kreislauf. Über 60 Prozent der Emissionen entstehen in der Landwirtschaft, Stickstoff gelangt über synthetische Dünger und nitratreiche Gülle aus der Tierhaltung in Boden, Wasser und Luft. Die übrigen Emissionen fallen in Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, aber auch bei der Ernährung an.

Die negativen Folgen der Überfütterung des natürlichen Kreislaufs mit Stickstoff: zu viel Nitrat im Wasser, Todeszonen in der Ostsee, beeinträchtigte Luftqualität, zusätzliche Klimagase und die Verarmung der biologischen Vielfalt an Land und zu Wasser. Höchste Zeit, dass wir in Deutschland über Lösungen reden und den Stickstoffeintrag massiv reduzieren. Alle Bereiche müssen ihren Beitrag leisten – auch die Landwirtschaft und wir Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die Niederlande kämpfen derzeit akut gegen die dortige Stickstoffmisere, die Regierung hat vor Kurzem faktisch den Stickstoffnotstand ausgerufen, als sie Tempo 100 auf ihren Autobahnen beschlossen hat. Dort wie in Deutschland ist klar, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, den Fortbestand einer Landwirtschaft zu sichern, von der die Landwirte leben können, und die gleichzeitig die natürlichen Ressourcen schützt. Es geht nur mit den Landwirten, nicht gegen sie, aber es geht eben auch nicht einfach weiter wie bisher: Es ist Aufgabe der Bundesregierung, den Umbau in Richtung einer zukunftsfähigen, natur­verträglichen Landwirtschaft voranzutreiben und Landwirte dabei gezielt zu unterstützen.

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