: Prädikat: kanzlerinnentauglich
Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock wird beim taz lab im April zu Gast sein. Sie ist eine Playerin, an der mittlerweile niemand mehr vorbeikommt
Annalena Baerbock, Jahrgang 1980, ist seit dem 27. Januar 2018 gemeinsam mit Robert Habeck Bundesvorsitzende der Grünen.
Von Ulrich Schulte
Neulich im Bundestag sprach Annalena Baerbock unter vier Augen mit Angela Merkel. Vorn diskutierten die Abgeordneten über die Organspende, hinten saßen die Grüne und die Kanzlerin nebeneinander. Die zwei Frauen redeten leise, lachten und wirkten recht vertraut. „Die derzeitige Bundeskanzlerin und die zukünftige Bundeskanzlerin im Plenarsaal“, witzelte ein Berliner Basismitglied später auf Twitter.
Baerbock, 39, seit zwei Jahren Grünen-Vorsitzende, ist eine Playerin in der Bundespolitik, an der keiner mehr vorbeikommt. Sie zieht bei den Grünen die Strippen, das sowieso. Sie wird die Ökopartei als Spitzenkandidatin in den nächsten Bundestagswahlkampf führen und danach, im wahrscheinlichen Falle einer Regierungsbeteiligung, ein Ministerium führen. Vielleicht ist noch mehr drin. Die Grünen liebäugeln mit dem Kanzleramt. Viele in der Partei glauben, dass Baerbock in dem Job besser reüssieren würde als ihr Co-Chef Robert Habeck. Eine Einschätzung, die selbst wichtige CDUler hinter vorgehaltener Hand äußern.
Annalena Baerbock wird beim taz lab zu Gast sein, wie schon im Jahr zuvor. Und sie bekommt natürlich die große Bühne. Wir werden mit ihr über ihr Leben mit und in der Politik sprechen, über Macht, Konkurrenz und Inhalte. Kaum jemand kann den Kohleausstieg so präzise auseinanderfriemeln wie Baerbock. Sie war 2019 die unumstrittene Talkshowkönigin Deutschlands und am häufigsten zu Gast bei Maischberger, Illner und Co. Auch die Frage, wie sich Beruf und Familie vereinbaren lassen, treibt sie um. Baerbock, Mutter zweier kleiner Töchter, hat keine Lust, auf das „Spitzenpolitikerin mit Kind“-Dasein reduziert zu werden. Das Sprechen darüber sieht sie als Notwendigkeit, denn auch das Private ist politisch. Und wer über Probleme schweigt, verändert die Strukturen nicht.
Baerbock hat eine steile Karriere hingelegt. Studium, Praktikum, Referentenjobs, Parlament – ihr Lebenslauf spielt ausschließlich im Gewächshaus der Politik, wie bei vielen jungen Abgeordneten. „Bei den Grünen kannst du Sachen verändern, wenn du von etwas überzeugt bist“, sagte Baerbock 2017 der taz. „Das Verändernwollen und -können ist wahrscheinlich mein wichtigster Antrieb.“
Aus dem Brandenburger Landesverband der Grünen kommend schaffte sie es 2013 in den Bundestag. Während der Jamaika-Sondierungen 2017 hat sie mit Merkel über die Zukunft Europas verhandelt. Im Januar 2018 übernahm sie den Parteivorsitz, im November wurde sie mit einem nordkoreanisch anmutenden Ergebnis wiedergewählt. 97,1 Prozent, das hat noch keine Vorsitzende in der Geschichte der Grünen geschafft.
Baerbock hat – zusammen mit Habeck – eine neue Phase der Partei eingeläutet. Beide ChefInnen zielen auf die ganze Gesellschaft, nicht mehr auf die Ökonische. Sie reden kaum über die politische Konkurrenz, umso mehr aber über eigene Rezepte. Und die Partei agiert geschlossen wie nie. Rufen Journalisten Abgeordnete mit heiklen Fragen an, warnen jene sofort die Chefin vor. Das Baerbock-Regiment ist ein strenges, gestritten wird fast nur noch hinter verschlossenen Türen.
Im taz-Interview sprachen Baerbock und Habeck neulich offen über die Probleme, die das Führen zu zweit mit sich bringt. „Wir versuchen es wie beim Doppel im Tennis“, sagte Baerbock. „Du arbeitest nicht nur am eigenen Aufschlag oder Volley, sondern musst permanent deinen Partner mit im Blick haben.“ Mit dem Sportlichen kennt sie sich bestens aus. Früher betrieb sie Trampolinspringen als Leistungssport. Sie weiß: Wer hoch springt, landet auch wieder – am besten auf beiden Füßen.
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