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Politische Dilettanz in HamburgGrüne Chaostage in Eimbüttel

Marco Carini
Kommentar von Marco Carini

Die Grünen sind stärkste Kraft in Hamburg-Eimsbüttel – und nun die großen Verlierer: Zweimal scheiterte ihre Kandidatin für die Bezirksamtsleitung.

Verliererin des grün-schwarzen Wahlchaos: Katja Husen (Grüne) Foto: Markus Scholz/dpa

I hre „wildesten Erwartungen“ seien übertroffen worden, jubilierte Katharina Fegebank, als die Grünen im Mai bei den Bezirkswahlen in vier von sieben Bezirken von den WählerInnen zur stärksten Kraft gekürt wurden. Sieben Monate haben die Grünen die wildesten Erwartungen nur in einer Disziplin übertroffen: Wie man seinen fulminanten Wahlsieg in das größtmögliche Chaos ummünzt.

Nur in Altona und in Nord, wo die BezirkamtsleiterInnen-Posten vakant waren, schafften es die grünen Wahlsieger, relativ geräuschlos grünes Personal an die Bezirksspitze zu katapultieren. Dass in Nord drei Abgeordnete der grün-roten Koalition den grünen Kandidaten Michael Werner-Boelz nicht mitwählten, geriet eher zur Randnotiz.

In Mitte, wo die Grünen den größten Wahlerfolg erzielt haben, sitzen sie nun in der Opposition. Nach von der grünen Landesspitze erhobenen, schwach belegten Islamismus-Vorwürfen gegen zwei ihrer Abgeordneten, wechselten sechs grüne Abgeordnete zur SPD, die nun mit CDU und FDP regiert. In Eimsbüttel brüskierte Kreischef Steffen erst die SPD, indem er ihr die CDU vorzog und scheiterte nun krachend und in zwei Anläufen daran, einen kompetenten SPD-Bezirkschef aus Machtkalkül durch eine Grüne zu ersetzen.

Zurück bleibt die Erkenntnis, dass die Grünen nicht reif sind, Wahlstimmen in politische Gestaltung umzusetzen und dass eine grün-schwarze Koalition sich nicht mal auf das eigene Personal verlassen kann. Zurück bleibt auch eine von der Arroganz der Grünen angewiderte SPD. In der häufen sich die Stimmen, nach der Wahl nicht mehr auf Rot-Grün zu setzen. Der politische Schaden für die Grünen, er könnte kaum größer sein.

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Marco Carini
Landespol. Korrespondent
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3 Kommentare

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  • Gut geschrieben, aber die von den Grünen nicht beantwortete Frage lautet: Warum Grün-Schwarz oder warum Grün-Bürgerlich? Ich erinnere mich ganz gut an die Ole-von-Beust-Jahre und die Langzeitwirkung dieser Politik. Für mich wäre ein Machtwechsel durch Grün-Schwarz oder Grün-Schwarz-Gelb absolut nicht attraktiv und ich finde die SPD auch nicht toll oder würde dieser Regierung eine gute Bewertung geben. Warum die Grünen plötzlich Machthunger an grüne Logik stellen, ich habe es nicht begriffen. Auch hier in der taz gab es keine wirklich überzeugende Erklärung für diesen Schwenk. Liegt es daran, dass die Grünen immer rechter werden, von der GAL zur bürgerlichen Umweltpartei? Entwickeln sich Funktionäre und Anhänger immer mehr nach Rechts - in eine Mitte, wo die Bezugspunkte zu bürgerlichen Parteien viel größer sind, als zur staatstragenden, auch mittig verorteten SPD? Oder geht es ums Postenzählen und darum, andere politische Verhältnisse hier dauerhaft zu schaffen, sich bis zur absoluten Mehrheit durchzuwuseln? Immerhin Ole v.Beust schafft das - mit einer schwachen Gruppe von Amtsträgern und mit einer flauen inhaltlichen Begründung, da könnten die Grünen wahrscheinlich immer noch mithalten.

  • Schade, dass Herr Carini nicht preisgibt, wie er in Eimsbüttel mit dem Wahlsieg der Grünen umgegangen wäre. Den wirklich grünen Koalovertrag mit einem SPD Bezirksamtsleiter umsetzen, die jahrelang als SPDler Kommunalpolitik gemacht hat und an grünen Themen nie Interesse gehabt hat?

    • @Senza Parole:

      Komischerweise wurde er von den Grünen vor wenigen Jahren aber gewählt und regelmäßig gelobt. Nun gab es auch keine Skandale oder sonstige Konflikte, um ihm sein Misstrauen in Form eines Votums auszusprechen, während er innerhalb des BA einen sehr guten Ruf bei den Mitarbeitern genießt und auch parteiübergreifend Anerkennung findet. Da wollten die Grünen einfach zu viel und sind entsprechend gescheitert. Sollten sie im Februar wie erwartet gut zulegen, dürfte sich die Freude also vorerst in Grenzen halten, da die Oppositionsbank in den letzten Jahren nie so nah war. Und wie viele "grüne Themen" bei einer rot-schwarz-gelben Regierung zu erwarten ist, sollte man sich mit ein wenig Weitsicht denken können. Verliert man aber diesen Bezug völlig, scheitert man auch mit seinem Misstrauensvotum. Arroganz und Bürgerferne kommen nie gut an. Das musste auch Ahlhaus lernen.