Luisa Neubauer trifft Siemens-Chef: Vorsicht, Fridays!
Gespräche mit DAX-Bossen bringen zwar Prestige, bergen aber auch die Gefahr des Greenwashings.
E s wäre ein „kleiner Schritt für den Konzern, aber ein großes Zeichen für Australien und den Rest der Welt“: So appellieren Luisa Neubauer und Nick Heubeck von Fridays for Future ausgerechnet in der konservativen Welt an Siemens, sich aus dem australischen Minenprojekt Adani zurückzuziehen. Weil „Australien brennt“, müsse der Riesenkonzern „zur Vernunft“ kommen und seine Beteiligung an einem der größten Kohlebergwerke der Welt beenden, fordern die FFF-Vorderen. Für Siemens (87 Milliarden Euro Jahresumsatz) gehe es nur um läppische 20 Millionen Euro für eine Zugsignalanlage.
Und dann passiert das noch vor Monaten Undenkbare. Das Unternehmen zuckt nicht etwa mit den Achseln und macht im Auftrag seiner Aktionäre weiter Kasse. Konzernboss Joe Kaeser kündigte bereits im Dezember ein Nachdenken über den Auftrag an. An diesem Freitag soll es sogar ein Treffen Kaesers mit Neubauer geben. Gleichzeitig plant FFF eine „Mahnwache“ vor der Siemens-Zentrale in München, bei den Freitagsdemos wird bundesweit gegen den Konzern mobilisiert.
Macht Kaeser die Fridays stark? Füllen die Aktivisten endlich das Vakuum, das die Politik hinterlassen hat? Und: Sind die Fridays schon so salonfähig – oder auch langweilig –, dass sie sich von DAX-Bossen hofieren lassen? Noch ist das alles nicht ausgemacht. Aber: Das Date zwischen Joe und Luisa ist ein Zeichen für das neue Gewicht der noch jungen Bewegung: Die Klimanörgler von der Straße werden nicht nur in Talkshows eingeladen, sondern zunehmend in den Chefetagen der Deutschland AG als Gesprächspartner anerkannt. Nicht umsonst hat sich VW-Boss Herbert Diess vor der Automesse IAA zum öffentlichen Streit mit einer Klimaaktivistin getroffen.
Obacht, FFF! Solche Gespräche bringen zwar Prestige und Publicity. Sie bergen aber auch die Gefahr, dass die PR-Strategen von Siemens die Fridays zum Greenwashing nutzen. Ein Ausstieg des Konzerns aus dem Kohleprojekt wäre nämlich nicht ungewöhnlich – bereits über 60 andere Unternehmen sind raus, weil sie Angst vor Schaden für ihre Reputation und ihre Bilanzen hatten.
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