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Halbzeitbilanz der VierschanzentourneeAn der Anfahrtshocke gearbeitet

Der japanische Überflieger Ryoyu Kobayashi ist schlagbar. Bei der Tournee macht zum Beispiel auch der Deutsche Karl Geiger eine gute Figur.

Reduzierung auf das Wesentliche: Karl Geiger kann auch in Garmisch mit dem Erwartungsdruck umgehen Foto: dpa

Karl Geiger hält Kurs. Auch nach dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen hat der Skispringer aus Oberstdorf noch beste Chancen auf den Sieg bei der Vierschanzentournee. Als Zweiter hinter dem Überraschungssieger Marius Lindvik konnte er sogar den Rückstand auf Spitzenreiter Ryoyu Kobayashi, der Vierter wurde, verringern. „Wenn Karl jedes Mal Zweiter wird und die Tournee gewinnt, dann ist das doch auch okay“, sagte sein Zimmerkollege Markus Eisenbichler.

Im vergangenen Jahr noch war er in derselben Position. Damals war Eisenbichler, der zwei Monate später dreifacher Weltmeister wurde, nach zwei zweiten Plätzen in der Rolle des Verfolgers. Auch damals lag der Japaner Kobayashi vor ihm. Allerdings war der 23-jährige Japaner damals in einer überragenden Form. Dieses Jahr ist er zu schlagen. Nicht nur Karl Geiger hat dies bewiesen.

Natürlich kommt auch Bundestrainer Stefan Horngacher nicht darum herum, seinen Vorzeigespringer zu loben. „Was Karl macht, ist außergewöhnlich“, sagt der Coach zur Halbzeit. Und erwartet von ihm weitere Glanztaten auf den weiteren Tourneestationen Innsbruck und Bischofshofen. „Wenn Karl so springt, dann gibt es keine Schanze, auf der er nicht springen könnte“, sagt er. Was ihn so zuversichtlich macht? „Wer Karl kennt, der weiß, dass er sich in jede Schanze reinfuchst, sodass es dann auch funktioniert.“

Und dann versucht der 50-Jährige die Wogen zu glätten: „Mit dem Tourneesieg beschäftige ich mich nicht.“ Er denke nur von Springen zu Springen. „Der Tourneesieg wäre Spekulation, ich muss Fakten schaffen.“

Für ihn ist zum Beispiel Fakt, dass neben Geiger auch noch Junior ­Constantin Schmid auf Platz sieben und Markus Eisenbichler als Zehnter ansprechende Leistungen geboten haben. „Für mich als Trainer ist das gesamte Team wichtig“, sagt er. „Wir brauchen ein starkes Team, denn nur aus einem starken Team können ein, zwei Springer herausspringen.“ Bei beiden Tourneespringen belegte seine Mannschaft Platz eins in der nichtoffiziellen Teamwertung.

Arbeit an Nuancen

Nach dem etwas zähen Saisonstart sieht er Eisenbichler wieder auf einem guten Weg. Horngacher lobt ausdrücklich die Wettkampfstärke des 28-Jährigen: „Eisenbichler hat sich bei der Vierschanzentournee, bei so einem Großereignis, so aus dem Schlamm rausgezogen und super agiert. Das ist extrem positiv.“

Karl fuchst sich in jede Schanze rein, dass es funktioniert

Stefan Horngacher, Bundestrainer

Zufrieden ist der Trainer auch mit der Entwicklung von Constantin Schmid. Der Oberaudorfer ist mit seinen 19 Jahren der Jüngste im Team. Vor der Saison habe man bei ihm ein wenig mit dem Material getüftelt, „damit sein Sprung effektiver wird“. Dass dies gelungen ist, beweist er mittlerweile regelmäßig. „Man sieht, was in ihm steckt“, erklärt Horngacher, „er ist technisch auf einem höheren Niveau angekommen.“

Dies gilt aber auch für Karl Geiger. Vor allem an seiner Anfahrtshocke haben sie im Trainerteam gearbeitet. Woran genau? „Das kann man nicht erklären“, sagt Horngacher, „da geht es nur um Nuancen, dies ist für den Laien nicht ersichtlich.“ Aber der Effekt ist enorm. „Was wir einstudiert haben, hat Karl in Garmisch zu 90 Prozent umsetzen können“, berichtet der Coach, „und wir haben gesehen, in welche Richtung das gehen kann.“

Generell war Geiger für seinen Trainer der eigentliche Sieger des Neujahrsspringens. Trotz des eingestellten Schanzenrekords (143,5 Meter) von Sieger Lindvik. „Leider nicht auf dem Papier“, sagt Horngacher. „Karl hatte die wesentlich schlechteren Windbedingungen.“

Wichtig ist nun auch, wie die Springer mit der ungewohnten Belastung, beinahe jeden Tag einen Wettbewerb springen zu müssen, umgehen. „Der Stress ist enorm“, sagt Horngacher, „entscheidend ist die Fähigkeit zu entspannen und zum richtigen Zeitpunkt die Körperfunktionen wieder hochzufahren.

Diesen Spagat beherrscht Geiger mittlerweile ausgezeichnet. Geholfen hat dem 26-Jährigen eine Reduktion aufs Wesentliche. „Ob ich vor 25 Russen in Nischny Tagil oder vor ein paar Tausend Deutschen springe, macht keinen Unterschied“, sagt er. Die Sache, um die es gehe, bleibe dieselbe. „Das Gute ist immerhin: Wenn ich zu Hause verkacke, dann stehen die Leute trotzdem hinter mir. Ich bin da echt entspannt.“

Wichtig ist, dass er heute zur Qualifikation am Bergisel in Innsbruck wieder voll fokussiert ist.

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